Einsatzkräfte suchen nahe der Stadt Brumadinho inmitten der Schlammmassen nach weiteren Opfern. Immer noch werden hunderte Menschen vermisst.

Foto: AFP / Douglas Magno

Bild nicht mehr verfügbar.

Wohlverdiente Pause.

Foto: REUTERS/Washington Alves

Hoffnung, weitere Überlebende zu finden, haben die Retter kaum noch. Inzwischen ist der Schlamm, der das Leben in der Kleinstadt Brumadinho im Südosten Brasiliens vernichtet hat, im Inneren steinhart geworden. An einigen Stellen haben sich die rotbraunen tödlichen Schlammmassen auf bis zu 15 Meter aufgetürmt. Der Chef der Rettungskräfte, Oberst Eduardo Angelo, versucht, den Anwohnern das Unfassbare zu vermitteln. Am Montag keimte kurz Hoffnung auf, als die Retter einen blauen Kleinbus entdeckten. "Aber als wir uns vorgearbeitet hatten, haben wir nur Leichen und noch mehr Leichen gefunden", sagt Angelo.

Der Dammbruch der Mine Córrego do Feijão in unmittelbarer Nachbarschaft von Brumadinho ist eine der größten Tragödien in Brasiliens Bergbaugeschichte: Bis Dienstag haben die Rettungskräfte 65 Leichen geborgen, 279 Menschen werden noch vermisst. Mehr als 200 konnten lebend aus dem Schlamm gerettet werden. Die langfristigen Umweltschäden sind noch nicht absehbar.

Haftbefehle für Mitarbeiter

In die Verzweiflung der Menschen mischt sich Wut – auf das Bergbauunternehmen Vale und die Politik, von der die Expertenratschläge die Sicherheit im Bergbau betreffend kontinuierlich ignoriert werden. Für den Umweltwissenschafter Bruno Milanez war der Dammbruch in Brumadinho eine Katastrophe mit Ansage. Es werde immer nur über Verbesserungen der Sicherheit diskutiert, wenn ein Unglück geschehen sei – nicht vorher, sagt Milanez der Tageszeitung Folha de São Paulo.

Am Dienstag bekräftigte das Bergbauunternehmen Vale, dass es in vollem Umfang mit den Behörden zusammenarbeite. Zuvor wurden Haftbefehle für drei Mitarbeiter des Unternehmens ausgestellt.

Die bisher größte Umweltkatastrophe in Brasilien ereignete sich 2015, als auch ein Damm eines Rückhaltebeckens in dem Ort Mariana, ebenfalls im Bundesstaat Minas Gerais, brach. Damals kamen 19 Menschen ums Leben. Mehrere Ortschaften wurden von der Schlammlawine begraben und der Fluss Rio Doce so verunreinigt, dass er praktisch tot ist. Der Vale-Konzern, das weltweit größte Eisenerz-Minenunternehmen, gehörte mit zu den Betreibern der Mine.

Vorschläge vom Staatsanwalt

Damals hatten Experten und auch die brasilianische Staatsanwaltschaft eine Reihe von Vorschlägen eingereicht, wie solche Katastrophen künftig verhindert werden könnten. Doch diese wurden von der Politik nie umgesetzt. Der jetzt gebrochene Damm in Brumadinho wurde von den Experten schon damals als hochgradig unsicher eingestuft.

"In der Praxis wird die Lizenz für eine Mine vor der Prüfung vergeben", sagt Milanez. Dabei gehe es vor allem um ökonomische Interessen. Die Bergbauunternehmen diktierten der Politik die Sicherheitsvorgaben. So sei die 2014 in Minas Gerais verabschiedete Bergbaugesetzgebung von den Minenbetreibern finanziert worden. In Zeiten fallender Rohstoffpreise sparten die Unternehmen zudem zuerst bei den Sicherheitsmaßnahmen und auch beim Monitoring.

Eine der Empfehlungen nach dem Unglück in Mariana lautete, dass zwischen einem Auffangbecken und der nächsten Wohnsiedlung mindestens zehn Kilometer Entfernung sein müssen. Auch im Fall von Brumadinho hätte so das Ausmaß der menschlichen Tragödie verringert werden können.

Anders als bei Staudämmen an Talsperren werden Dämme für Rückhaltebecken in Minen meist in Etappen gebaut, was die Gesamtkonstruktion instabiler und Qualitätskontrollen schwieriger macht. Demnach betrug beispielsweise die 1976 ursprünglich geplante Höhe des Damms von Brumadinho 18 Meter. Durch zahlreiche Erweiterungen ist dieser dann auf rund 85 Meter angewachsen.

Lizenz im Expressverfahren

Brasilianischen Medien zufolge wurde die Lizenz für die letzte Erweiterung im Dezember in einem Expressverfahren erteilt. Dabei wurden verschiedene Sicherheitsstufen übersprungen. Der an der entscheidenden Sitzung beteiligte Vertreter der Umweltbehörde Ibama habe starke Einwände gehabt und warnte vor einem Brechen des Damms, sei aber überstimmt worden. Unklar ist, ob genau diese Erweiterung letztendlich zum Bruch des Damms geführt hat. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 29.1.2019)