München/Wien – Alzheimer und Atherosklerose sind Krankheiten mit chronischen Entzündungen – im Gehirn beziehungsweise der Blutgefäße. Eiweißstoffe des angeborenen Immunsystems halten diese Entzündungen am Köcheln, berichtet ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal "Nature Medicine". Ein Fettstoffwechsel-Eiweißkörper (ApoE) bekämpft hingegen die Entzündungen und könnte eine Möglichkeit sein, um sie zu stoppen.

Das internationale Team um Changjun Yin von der Universität München untersuchte die Entzündungsreaktionen in Mäusen, denen ApoE fehlt. Es war bereits bekannt, dass dieser im Fettstoffwechsel wichtige Eiweißkörper bei der Alzheimer-Krankheit, Atherosklerose und anderen chronischen Entzündungen eine Rolle spielt, weil individuelle Unterschiede bei ApoE das Krankheitsrisiko erhöhen oder senken, erklärt Christoph Binder vom Klinischen Institut für Labormedizin der Medizinischen Universität Wien und dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Einen direkten Zusammenhang mit Entzündungsreaktionen kannte man aber nicht.

Die Forscher beobachteten, dass ApoE einen anderen Eiweißstoff (C1q) festhält und blockiert, der zum angeborenen Immunsystem gehört und die Entzündungsreaktion forciert. C1q schwimmt im Blutplasma und wehrt einerseits als erster Kämpfer in einer Reihe von Immun-Eiweißstoffen der "klassischen Komplementkaskade" Bakterien ab, hilft aber auch beim Beseitigen von körpereigenen Abfallprodukten – zum Beispiel von alten, oxidierten Fettverbindungen – aus der Blutbahn und dem angrenzenden Gewebe, damit sie keinen Schaden anrichten.

Neue Therapieansätze möglich

"Bei Krankheiten mit erhöhten Blutfettkonzentrationen wie Atherosklerose kommt aber ständig Nachschub, die durch oxidierte Lipide ausgelöste Entzündungsreaktion wird dadurch chronisch und somit selber schädlich", ergänzt Binder. ApoE versucht dem offensichtlich entgegenzuwirken und klammert sich an aktiviertes C1q, um die Kaskade aufzuhalten.

Je mehr sich mit ApoE verhaftetes C1q in den Gefäßwänden oder dem umliegenden Gewebe ablagert, umso stärker sind die Atherosklerose und Alzheimer fortgeschritten, sagen die Studienautoren. Man könne die Menge an ApoE-C1q-Komplexen demnach als Untersuchungswert für das Fortschreiten der Erkrankungen verwenden.

Die Forscher nahmen sich ApoE als Vorbild und blockierten die Komplementkaskade (später in der Abfolge bei Eiweißstoff C5). Die Versuchstiere hatten dadurch weniger Atherosklerose, weniger kognitive Beeinträchtigungen und weniger Entzündungen. Damit konnten sie direkt beweisen, dass die Komplementkaskade tatsächlich bei diesen Erkrankungen eine wesentliche Rolle spielt. Diese Erkenntnis legt neue Ansatzpunkte für Therapien frei. "Man könnte versuchen, die Aktivität des ApoE-Eiweißkörpers zu kopieren und auf diese Art die Entzündungen zu hemmen", meint Binder. (APA, 29.1.2019)