SPÖ-Chefin Rendi-Wagner kritisiert ihre Nachfolgerin, Ressortchefin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Diese sagt Danke und kritisiert zurück.

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SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat sich der Rettung der Ärzte verschrieben. Die frühere Gesundheitsministerin, heute als Oppositionschefin im Parlament, will ihre Nachfolgerin Beate Hartinger-Klein von der FPÖ dazu bringen, einem drohenden Ärztemangel entgegenzuwirken. Bei einer von der SPÖ einberufenen Sondersitzung verleiht Rendi-Wagner mit einem dringlichen Antrag an die blaue Gesundheitsministerin ihrem Anliegen Nachdruck. Doch auf die Unterstützung der anderen Oppositionsparteien kann die SPÖ-Chefin dabei nicht zählen.

Und auch die türkis-blaue Regierung spielt den Ball wieder zurück. In den vergangenen zehn Jahren habe es rote Gesundheitsminister gegeben, die SPÖ schiebe die Verantwortung von sich, sagt ÖVP-Klubchef August Wöginger. Für sein freiheitliches Gegenüber Walter Rosenkranz hat die "Untätigkeit" der SPÖ erst zu jenem Hausärztemangel geführt, den Rendi-Wagner nun beklagt. Sie wollen beim Rechnungshof eine Gebarungsprüfung des Gesundheitsressorts über die vergangenen zehn Jahre beantragen.

Pensionierungswelle

Dieser sieht die ehemalige Gesundheitsministerin wiederum gelassen entgegen. Das sei bloß ein "Ablenkungsmanöver". Konkret fehlt es der SPÖ-Chefin an Maßnahmen, damit der Arztberuf attraktiver und die Primärversorgung weiter ausgebaut wird. Das überrascht nicht, wurden doch in ihrer Amtszeit die ersten Primärversorgungszentren etabliert. Sie sieht dort die Zukunft, weil mehr als die Hälfte aller Hausärzte in den nächsten zehn Jahren das Pensionsalter erreichen.

Diese Primärversorgungseinrichtungen hätten Vorteile für beide Seiten: für Ärzte, weil sie sich gemeinsam mit anderen Kollegen, auch aus anderen Gesundheitsberufen, die Versorgung und Verantwortung teilen können, für Patienten, weil sie durch die neue Organisation die verschiedenen Ansprechpartner an einem Ort auffinden. Das hat Rendi-Wagner in ihrer zehnmonatigen Amtszeit als Ministerin forciert und ein Gesetz auf den Weg gebracht, das dafür Rechtssicherheit schaffen soll. Doch der Ausbau der Primärversorgungseinrichtungen werde von ihrer Nachfolgerin vernachlässigt.

Erst 13 Primärversorgungszentren

Tatsächlich gibt es laut Ärztekammer erst 13 Primärversorgungseinheiten in Österreich. Überhaupt kritisiert Rendi-Wagner Hartinger-Klein dafür, die Ziele der 2013 beschlossenen Gesundheitsreform aus den Augen verloren zu haben.

Diese wiederum bedankt sich im Hohen Haus überschwänglich bei der SPÖ für die einberufene Sondersitzung, so habe sie endliche die Gelegenheit, all die Versäumnisse ihrer roten Vorgänger aufzulisten. Das zelebriert Hartinger-Klein auch, wenn sie Alois Stöger vorwirft, einzig Studien in Auftrag gegeben zu haben, "ohne etwas auf den Boden zu bringen", oder wenn sie den ehemaligen roten Ressortchefs vorwirft: "Sie haben Menschen zu Wahlärzten getrieben." Die SPÖ sei verantwortlich für eine Zwei-Klassen-Medizin. Auch mit Selbstlob spart Hartinger-Klein nicht, sie habe sofort bei Amtsantritt gehandelt und den Obersten Sanitätsrat beauftragt, einen medizinischen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten. "Politische Verantwortung, das kennen Sie nicht", ruft sie in Richtung SPÖ, nachdem sie deren Vertretern mehrfach die explodierenden Kosten für das Wiener Krankenhaus Nord vorgehalten hatte.

"Gesundheit ist kein freier Markt"

Rendi-Wagner bewertet das ganz anders. Auch sie überhäuft die Regierung mit Vorwürfen, denn sie würde die Patienten erst zu den Wahlärzten drängen, indem sie das Problem des drohenden Ärztemangels verkenne. Die Koalition lasse die Probleme den freien Markt lösen, denn wer sich einen Wahlarztbesuch nicht leisten könne, müsse eben warten. Das sei nicht sozial, denn: "Gesundheit ist kein freier Markt."

Die SPÖ habe mit dem Hausärztegesetz eine Grundlage geschaffen, dem entgegenzuwirken. Seit die Regierung im Amt ist, sei aber nichts weiter geschehen. Bei den vergangenen drei Sitzungen der Bundeszielsteuerungskommission, eines Gremiums mit Vertretern von Bund, Ländern und Sozialversicherungen, habe die Ministerin kein einziges Mal das Thema Ärztemangel angesprochen. Dafür aber habe Hartinger-Klein 48 neue Leitungsstellen bei den fusionierten Sozialversicherungsträgern geschaffen, "blaue Versorgungsposten", wie Rendi-Wagner ihr vorhält.

Politik im Sandkasten

An einen Sandkasten fühlt sich angesichts der Schuldzuweisungen Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker erinnert. Er drückt seine Verwunderung über die von ÖVP und FPÖ angekündigte Gebarungsprüfung des Gesundheitsressorts aus, immerhin sei ja in der für die Prüfung vorgeschlagenen Zeit die ÖVP mit der SPÖ in einer Regierung gewesen. Etwas zynisch fügt er hinzu: "Aber was man an der Seite des Koalitionspartner ÖVP alles ausrichten kann, müsste die FPÖ am besten wissen." Jedenfalls sei für die medizinische Versorgung im niedergelassenen Bereich nicht das Ministerium zuständig, das sei Aufgabe der Kassen. Diese hätten Interesse daran, Patienten in Ambulanzen zu schicken, um weniger Kosten tragen zu müssen. Seine Kritik richtet sich sowohl an die Vorgängerregierungen als auch an die aktuelle: "Die Steuerung fehlt." Loacker fordert die Finanzierung aus einer Hand.

Auch von der Liste Jetzt gab es keine Unterstützung für die SPÖ. Daniela Holzinger-Vogtenhuber warf ihrer ehemaligen Partei vor, das Thema ebenso "übertrieben hoch zehn" hochzuspielen, wie es früher die FPÖ getan habe. "Können wir uns darauf einigen, dass wir uns hinsetzen und gemeinsame Lösungen überlegen?", fragte sie und blickte verzweifelt. (Marie-Theres Egyed, 29.1.2019)