Der japanische Astronom Ko Arimatsu hat offenbar auch ein gestalterisches Talent: So könnte das von ihm entdeckte Objekt aussehen – letztlich ist die Form aber reine Spekulation.
Illustration: Ko Arimatsu

Tokio – "Das ist ein echter Sieg für kleine Projekte!" Astronom Ko Arimatsu vom Nationalen Astronomischen Observatorium Japans ist im Glück: Seinem Team ist es gelungen, mit geringen Mitteln und binnen erstaunlich kurzer Zeit einen Himmelskörper aus einer Objektklasse aufzuspüren, die heute eine Existenz am Rande des Sonnensystems fristet, in seiner Anfangszeit aber eine Schlüsselrolle spielte: ein Planetesimal.

Am Beginn ihrer Existenz sind Sterne wie unsere Sonne von einer protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub umgeben. Nach der heute gängigsten Hypothese zur Planetenbildung verkleben die Staubteilchen zu immer größeren Ansammlungen – erst sind es nur Millimeter, später ein paar Kilometer. Ab einer solchen Größe üben Planetesimale dann auch ausreichend Gravitationskraft auf "Artgenossen" aus, um zu noch größeren Objekten zu verschmelzen. So enstehen Protoplaneten und schließlich vollausgebildete Planeten.

Beispiel Ultima Thule

Die NASA-Sonde New Horizons lieferte auf ihrem Weg durch den Kuipergürtel vor kurzem erst Bilder von einem Objekt, das einen solchen Verschmelzungsprozess gleichsam für die Ewigkeit eingefroren hat: Das Objekt Ultima Thule besteht aus ursprünglich zwei kleinen Himmelskörpern, die in der Anfangszeit des Sonnensystems kollidiert und aneinander haften geblieben sind.

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Beim Objekt Ultima Thule wissen wir inzwischen, wie es geformt ist: kurios.
Foto: AP/NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute

Weiter ging der Prozess in diesem Fall allerdings nicht – im nur lose mit Himmelskörpern bestückten Kuipergürtel am Rand des Sonnensystems kam offenbar kein Nachbar Ultima Thule nahe genug, um das Doppelobjekt weiter zu vergrößern. Seitdem zieht es als 31 Kilometer langer "Schneemann" seine langen Kreise.

Die Neuentdeckung

Das Objekt, das Arimatsus Team nun entdeckt hat, ist erheblich kleiner als Ultima Thule: Es hat nur einen Radius von 1,3 Kilometern. Eine direkte Sichtung des Winzlings von der Erde aus wäre natürlich nicht möglich gewesen, doch den japanischen Astronomen gelang ein indirekter Nachweis. Dabei setzten sie auf den Effekt der Okkultation – also wenn ein Stern vorübergehend von einem Objekt verdeckt wird, das zwischen ihm und uns liegt und sein Licht abschwächt.

Die Dauer und das Ausmaß der Sternbedeckung ermöglichen es, die Größe und Entfernung des verdeckenden Objekts zu berechnen. Theoretisch könnte der Effekt auch durch ein wesentlich kleineres, aber auch viel näheres Objekt zustande kommen – etwa wenn ein Vogel am Himmel vorbeizieht. Um diese Fehlerquelle auszuschließen, richteten die japanischen Astronomen zwei Teleskope in den Himmel und ließen sie ein Feld mit ungefähr 2.000 Sternen 60 Stunden lang beobachten.

Auch die Kleinen wollen nach oben

Und es kamen dabei keine Riesenapparate zum Einsatz: Zwei kleine 28-Zentimeter-Teleskope waren es, die Arimatsu auf dem Dach einer Schule auf der im Südwesten Japans gelegenen Insel Miyako-jima platzierte. Genüsslich rechnet der Forscher vor, dass sein Team weniger als 0,3 Prozent des Budgets großer internationaler Projekte zur Verfügung gehabt habe – und trotzdem nun einen Erfolg vermelden kann, der allerdings erst bestätigt werden muss.

Arimatsu denkt freilich bereits einen Schritt weiter – buchstäblich. Der Kuipergürtel jenseits der Neptunbahn sei interessant, weil die Objekte darin den Urzustand der Materie im Sonnensystem viel stärker bewahrt hätten als im weiter innen gelegenen Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Dort hätten eine höhere Zahl an Kollisionen und die wesentlich stärkere Sonneneinstrahlung über die Jahrmilliarden hinweg zu Veränderungen geführt, denen die Objekte im Kuipergürtel nicht ausgesetzt waren.

Doch die Grenze des Sonnensystems ist damit noch nicht erreicht. Als nächstes will Arimatsu die noch einmal erheblich weiter außen liegende Oortsche Wolke ins Visier nehmen. Dort sollen sich Milliarden oder gar Billionen von Kometen, Planetesimalen und anderen Objekten befinden, zumindest hypothetisch. Denn noch weiß man nicht mit Sicherheit, ob es diese Wolke – in einem Abstand von 1,6 Lichtjahren zur Sonne und damit fast schon auf halbem Weg zum nächsten Stern – tatsächlich gibt. (jdo, 3. 2. 2019)