Ja, hier schmeckt es. In der Kettenbrückengasse hat ein Großchinese aufgesperrt, der auch gleich gestürmt wird.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Riesengarnelen mit Brokkoli und nur zart süßer Sauce.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Für kommenden Montag sollte man in Wiens guten Chinarestaurants definitiv eine Reservierung haben, und im Feine Sichuan Küche, an der Ecke Kettenbrücken- und Grüngasse, schon gar. Das neue Restaurant hat zwar 110 Sitzplätze, zu Neujahr (4. Februar, siehe auch Tobias Müllers Story) gehen die Chinesen aber gern auswärts essen. Und die neue Location des zuvor auf der Hütteldorfer Straße angesiedelten Lokals wird von Wiens China-Community schon seit Wochen gestürmt.

Was Jiao Xiaoxiao und ihr Mann Jun Yuan als Küchenchef hier zu Tisch bringen, ist auch bestechend gut. Das Restaurant wirkt im Vergleich zum Vorgänger (Xanadu) unverändert, auch Hotpot, das chinesische All-you-can-eat-Fondueessen ist noch im Angebot. Aber ganz viel anderes halt auch. Die Speisekarte hat vier engbedruckte Seiten, Spezialhinweise auf allerhand Spieße vom Grill nicht mitgerechnet. Wer mit Freunden kommt und einen der runden Achtertische mit Lazy-Susan-Drehplatte in der Mitte (chinesisch Zhuan Pan) ergattert, kann dementsprechend auffahren lassen.

Chilihitze

Noch dazu, da die Karte von Herrlichkeiten wie gebratenem Dickdarm, mariniertem Kuttelfleck oder geschmorten Schweinsohren kündet – anderswo werden solche Spezialitäten vor den Langnasen oft auf einem Extrazettel in Mandarin versteckt. Das alarmistische Grellorange der Karte deutet mit Recht darauf hin, dass es hier eher scharf zur Sache geht.

Natürlich flirrt einem die Zunge nach gutem Sichuanessen von pfeffriger Taubheit, und der Skalp dampft, weil die Chilihitze sich ihren Weg durch alle Poren bahnt. Aber man ist auch auf beschwingte und leichte Art froh. Die Wirren der Welt wirken plötzlich klein, so groß ist das Wohlsein. Dass man gerade Essen verinnerlicht hat, welches zentimetertief in Chiliöl badet, ist nur scheinbar ein Widerspruch: Wer es den Herrschaften an den Nachbartischen gleichtut und sich das Zeug nicht gefühllos auf den Reis schaufelt, sondern erst nach gehörigem Abtropfen mithilfe der Stäbchen zum Mund führt, der empfängt fernöstliche Würzkraft und diätetischen Segen gleichermaßen. So darf man sich phänomenale Mengen an Sichuan-Food genehmigen, ohne mit Völlegefühl büßen zu müssen.

Wan Tan in scharfer Sauce sind ein guter Start solch einer vielgängigen Reise durch das Reich der scharfen Mitte: seidig-schlutzige, in sauer-würzigem Chiliöl flatternde Teigflappen mit Fleischfülle, zufriedenes Seufzen rundum. Oder Dan-Dan-Nudeln, deren Salsa nicht ganz so erdnussig ausfällt wie erhofft, sonst aber sehr gefällig abgeschmeckt ist. Spieße von der Lammniere sind Pflicht, meisterhaft zart gegrillt, mit Chili und reichlich Kreuzkümmel gewürzt, teuflisch gut.

Umami-Feuerwerk

Gebratener Dickdarm mit Sauerkraut muss auch sein, das inwandige Aroma zurückhaltend, die Konsistenz zart und total mehrheitsfähig, das fermentierte und gebratene Kraut eine Umami-Bombe erster Klasse. Wer sich in Frankreich an Andouillette freut, ist hier genau richtig. Riesengarnelen mit Brokkoli sind dagegen brav, dank exakter Garzeit und fruchtiger, nur zart süßer Sauce aber nicht minder empfehlenswert. Rindfleisch "Tie Pan" kommt zornig zischend auf einer glühheißen Eisenplatte zu Tisch, geriert sich am Gaumen aber streichelweich, sehr gut. Gemüse muss natürlich auch sein: Gebratener Braunsenf erweist sich als leuchtend grüne, extrem knackige und frische Verdauungshilfe, Blattgemüse der krenigen Sorte. Und die berauschend vielfältige Würzung der geschmorten Melanzani "Yu- Xiang" sorgt endgültig dafür, dass alle Sorge von einem abfällt und man frohen Mutes ins neue Jahr entlassen wird. Xin nián kuài lè! (Severin Corti, RONDO, 1.2.2019)

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