Bitte lachen: ein Marktwert von über 450 Millionen.

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Wien – Der Fußball wird mit Geld überschwemmt, Ablösesummen explodieren. Spieler die eben noch unbekannt waren, sind plötzlich Millionen wert. Auf Datenbanken wie football-observatory.com oder der Website Transfermarkt wird mit Transferwerten gespielt. Doch diese Zahlen sind Schätzungen, mit System, aber ohne jegliche Gewähr.

222 Millionen für Neymar, 160 Millionen für Mbappe. Millionenstarke Unternehmen und einflussreiche TV-Anbieter pumpen über Sponsoren- und Fernsehverträge kontinuierlich Milliardenbeträge in die europäischen Topligen und Millionen in die führenden Klubs. "Es wird gezahlt, was aktuell marktgerecht ist, das ist die einfache Kombination aus hohem sportlichen Konkurrenzdruck und den stetig steigenden Einnahmen in der Fußballwirtschaft", sagt Thomas Lintz, COO von Transfermarkt.

Spitzenvereine aus Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland und besonders England profitieren von dieser Entwicklung und sind vom Rest der Fußballwelt kaum einzuholen. "Neue oder härtere Reglements wie das Financial Fair Play oder vielleicht auch mal ein Rückzug eines Mäzens, könnten die Trendwende einleiten", sagt Lintz.

Keine Geldsorgen

Am Transfermarkt wird mit Geld geprahlt, ein regelrechtes Wettbieten ist entstanden. Die jährliche Cies-Rangliste – ein Ranking der teuersten Fußballer der Welt, erstellt vom Centre International d’Étude du Sport – positioniert den portugiesischen FC-Sevilla-Mittelstürmer André Silva auf Rang 100, mit einem berechneten Marktwert von aktuell über 55 Millionen Euro. Ab Platz 27 werden die Millionenbeträge schon dreistellig.

Immer wieder werden Diskussionen um den Marktwert laut. Doch wie sinnvoll sind solche Spielereien? "Es gibt schon einige Studien von Universitäten, die unseren Marktwerten eine sehr gute Eignung als Richtwert für verschiedene Zwecke bescheinigt haben", sagt Lintz.

Viele Faktoren sind für die Berechnung relevant. Sportliche Leistungen und Zukunftsaussichten gehören dazu, aber auch Prestigepunkte und marketingtechnische Aspekte können die Zahlen in die Höhe schrauben. "Auch Spielerberater geben ab und zu Feedback, fast immer allerdings zu eher unbekannteren Spielern. Öfter aber melden sich Spieler selbst und fragen, wie der Wert zustande kommt", erklärt Lintz.

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Die Superstars von morgen?
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Besonders auf junge Spieler haben es die Vereine abgesehen. Es reicht nicht mehr, sich in der U12 oder U13 nach Spielern umzusehen, es geht schon bei den Sieben- bis Achtjährigen los. Ganz nach oben schafft es nur ein Bruchteil.

"Der Unterschied zu einem Scout im Erwachsenenbereich ist, dass man nicht Spieler für eine bestimmte Position mit den dazu benötigten Qualitäten sucht, sondern Spieler mit Perspektiven, die nicht an Positionen festgemacht sind", sagt Dietmar Schilcher, Jugendscout U7 bis U14 bei Sturm Graz.

Ein Spiel der Zahlen

"Analysetools werden im modernen Scouting immer wichtiger, da die Tools sich enorm weiterentwickelt haben, und man sich ein gutes Bild von Spielern machen kann. Trotzdem ist es noch immer wichtig, sich persönlich ein Bild zu machen und ein persönliches Gespräch zu führen, um zu klären, ob die Vorstellungen des Spielers mit denen des Vereins übereinstimmen", erzählt Schilcher.

"Wie sehr sich der Fußball verändert hat! Es ist alles komplizierter geworden – und schöner." (Xabi Alonso)
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Das gute alte Scouting ist an seine Grenzen gestoßen. Tracking ist ins Spiel gekommen. Wo Experten früher auf den Rängen, mit Stift und Papier, Zweikämpfe und Ballkontakte zählten, übernehmen nun hochkomplexe Maschinen die Arbeit. Jedes Spiel produziert riesige Datenmengen und die werden von immer mehr Teams erfolgreich genutzt.

Hochauflösende Kameras nehmen 25 und mehr Einzelbilder in der Sekunde auf. Das sind Hunderttausende Bilder pro Spiel. "Fußball ist keine Mathematik", behauptete einst der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge. Doch das war im Jahr 2007. Mittlerweile sind moderne Kommunikationsmittel, Berechnungen und Datenbanken nicht mehr aus dem Spitzenfußball wegzudenken.

Algorithmen im Einsatz

Vereine die es sich leisten können nutzen verstärkt Algorithmen, um Fußballer zu bewerten. Immer mehr Unternehmen, die nichts mit dem Spiel zu tun haben, möchten an dem fetten Kuchen mitnaschen. Sie hoffen Talente mittels Daten herausfiltern zu können, und so den nächsten Superstar schon in den Nachwuchsabteilungen ausfindig zu machen. Analysten, Mathematiker und Physiker gehören heute zum Fußball wie Eckball und Flanke.

Gläserne Spieler sind entstanden, jede Bewegung, jeder Fehler wird aufgezeichnet. Auch im Training wird mit Echtzeit-Analysen gearbeitet. Doch was macht den perfekten Spieler aus? "Das ist immer eine subjektive Betrachtung. Es gibt Fans, die erfreuen sich an perfektem Aufbauspiel von Innenverteidigern, anderen lacht das Herz, wenn sie tolle Freistöße sehen, wieder andere finden Tempo-Dribblings toll", fasst Lintz zusammen.

Fußball-Informatiker sehen die Spieler aus einer anderen Perspektive. Sie sehen Kreise, teils rot, teils blau auf einer 2D-Animation. Sie möchten das Rätsel Fußball entschlüsseln und lesbar machen. Geschafft haben sie es offiziell noch nicht. (Nedim Osmanovic, 31.1.2019)