Bild nicht mehr verfügbar.

Parteichef Jarosław Kaczyński wurde abgehört. Von wem, ist unklar. Nun steht er wegen möglichen Ungereimtheiten bei Bau und Finanzierung von Hochhäusern in schiefem Licht.

AP

Warschau – Schon lange fürchtete Jarosław Kaczyński, der Vorsitzende der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Opfer einer Abhöraffäre zu werden. Sicher fühlte er sich nur im Parlament, umgeben von seinen engsten Vertrauten und einigen Bodyguards, und in der PiS-Parteizentrale in der Nowogrodzka-Straße in Warschau. Dorthin pflegte er alle seine Gesprächspartner einzuladen.

Der PiS-Parteisitz wurde rund um die Uhr bewacht und schien Kaczyński sicher wie eine Festung zu sein. Doch genau dort wurde er nun abgehört.

Die linksliberale Gazeta Wyborcza enthüllte am Dienstag, dass es seit dem 12. Mai 2017 zu insgesamt 16 Treffen zwischen dem österreichischen Architekten und Unternehmer Gerald Birgfellner und Jarosław Kaczyński gekommen sei. Eines der Gespräche können die Leser auf der Website der Zeitung nachhören. Thema aller Unterredungen sollen die geplanten Türme, im Volksmund oft Kaczyński-Türme oder K-Towers genannt, im Zentrum Warschaus gewesen sein.

Über deren Bau und Finanzierung soll Kaczyński im Auftrag des PiS-Firmen-und-Stiftungs-Konsortiums Srebrna mit dem Österreicher verhandelt haben. Die 300-Millionen-Euro-Investition wurde vorerst gestoppt. Kaczyński entschied sich aus wahltaktischen Gründen dazu, den teuren Bau zu verschieben, und zwar auf bis nach den Parlamentswahlen 2019. Birgfellner stellte seine bisherigen Vorleistungen in Höhe von 1,5 Millionen Euro in Rechnung. Doch gezahlt wurde nicht. Jetzt will er das Geld einklagen. Am letzten Freitag stellten die Anwälte des Österreichers Strafanzeige wegen "Betrugs in besonders schwerem Fall" bei der Staatsanwaltschaft in Warschau.

Die Kellneraffäre

Die Ängste Kaczyńskis vor einer Abhöraffäre haben einen guten Grund: Die Vorgängerregierung kam durch die "Kellneraffäre" zu Fall. In einem Lieblingsrestaurant der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) servierten die Kellner nicht nur exquisites Essen und teuren Wein, sondern versteckten in den Haltern von Salz- und Pfefferstreuern auch Mikrofone.

Vor den Parlamentswahlen im Herbst 2015 publizierten PiS-nahe Zeitschriften immer wieder Mitschnitte dieser PO-Tischgespräche. Zwar führte keiner der Audiomitschnitte zu einem Strafverfahren, doch die vulgär-arrogante Ausdrucksweise erschütterte das Vertrauen vieler Bürger in ihre Vertreter. Bei den nächsten Wahlen gewann die PiS die absolute Mehrheit. Im Herbst stehen in Polen Parlamentswahlen an.

Wer Kaczyński abgehört hat, ist bisher unklar. Der PiS-Chef selbst hat sich bisher zur ganzen Causa nicht geäußert. Andere PiS-Politiker wie die Parteisprecherin Beata Mazurek versuchen die "Pseudosensation" ins Lächerliche zu ziehen, Bildungsminister Jarosław Gowin hält die Mitschnitte für "normale Business-Verhandlungen". Für Adam Traczyk, den Gründer und Direktor der Stiftung Global.Lab, hingegen ist das Ansehen Kaczyńskis als "mythischer Vorsitzender" und "Erlöser der Nation" nun schwer beschädigt. "Wir sehen nun einen elenden Politikaster, der kleine Geschäftchen erledigt", schreibt der Soziologe auf Twitter. (Gabriele Lesser, 29.1.2019)