Einen regelrechten Steckmuschel-Friedhof fanden Taucher bei Villefranche-sur-Mer an der französischen Riviera. Das große Sterben dürfte sich über das gesamte Mittelmeer erstrecken.

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Nizza – Früher traf man sie in der Adria häufiger an, mittlerweile ist der Anblick der Großen Steckmuschel (Pinna nobilis) jedoch selten geworden. Die zweitgrößte Muschelart der Erde könnte vom Aussterben bedroht sein, beklagen nun Forscher. Vor allem Parasiten und der Klimawandel machen ihr zu schaffen.

Einen regelrechten Steckmuschelfriedhof hat kürzlich der Fotograf Olivier Jude bei Villefranche-sur-Mer an der französischen Riviera ausgemacht. In der geschützten Bucht östlich von Nizza häufen sich zahllose Schalen der Edlen Steckmuschel, wie sie auch genannt wird. "Wir finden keine einzige Lebende mehr", klagt Jude. Die Muscheln, die sonst aufrecht im Meeresboden stehen und bis zu 1,20 Meter groß werden können, liegen dort entwurzelt in rostfarbenen Stapeln auf dem Grund. "Die Lage ist sehr alarmierend", warnt Maria del Mar Otero von der Weltnaturschutzunion IUCN.

Ausgelöschte Muschelkolonie

In Spanien sei die Steckmuschel bereits vom Aussterben bedroht, sagt die Meeres-Expertin. Doch auch zwischen Frankreich und der Türkei sind immer mehr Regionen zu verzeichnen, in denen die Sterblichkeit der Steckmuschel bei mehr als 85 Prozent liegt. Der französische Meeresbiologe Nardo Vicente überwacht seit den 1990er-Jahren eine Kolonie mit Großen Steckmuscheln vor der Küste Korsikas. Die Muscheln sind im Schnitt rund 30 Jahre alt und bis zu 80 Zentimeter groß. "2017 war die Kolonie noch völlig gesund", sagt er. "In diesem Jahr ist alles tot, zu hundert Prozent."

Viele Forscher machen dafür vor allem einen Parasiten der Gattung Haplosporidium verantwortlich, der auch für das große Austernsterben vor der US-Ostküste in den 1950er-Jahren verantwortlich gemacht wird. Frachtschiffe könnten ihn ins Mittelmeer geschleppt haben. Vicente sieht allerdings auch den Klimawandel als Ursache für das Massensterben. Er begünstige "eine Vielzahl von Keimen, Viren und Parasiten", betont er.

Viel zu hohe Temperaturen

Belege dafür fanden sich vor der Küste Korsikas: Während um die Muschelkolonie in 40 Metern Tiefe sonst im Schnitt 13 bis 14 Grad Celsius herrschten, seien es nun 20 Grad, erklärt Vicente. "Das ist völlig unnormal." Er sei "am Boden zerstört", sagt der Biologe angesichts des großen Sterbens. Dennoch hofft er auf eine Rettung für die Riesenmuscheln, deren goldene Byssusfäden in der Antike mit dem sagenumwobenen Goldenen Vlies der Argonauten in Verbindung gebracht wurden.

Wissenschafter in Spanien forschen derzeit an einer besonders resistenten Variante der Muscheln, die sie künftig im Meer aussetzen wollen. Die Zeit drängt jedoch, denn im Sommer dürften die steigenden Wassertemperaturen den Großen Steckmuscheln weiter zu schaffen machen. (red, APA, 30.1.2019)