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Atommüll wird typischerweise in Fässern gelagert. Die Suche nach einer Endlagerungsstätte blieb bisher in allen Ländern erfolglos.

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Wien – Die Erderwärmung und die Suche nach einem Gegenmittel schienen der internationalen Atomindustrie kurzzeitig in die Hände zu spielen. Selbst aus Wissenschaftskreisen war zu hören, ohne Kernenergie werde der rasche Umstieg von fossilen, das Klima schädigenden Stromerzeugungsarten auf CO2-freie Formen nicht gelingen. Konzerne wie Westinghouse, General Electric (beide USA), Framatom (Frankreich) und Rosatom (Russland), die alle an sogenannten fehlertoleranten Brennstoffen forschen, spürten Rückenwind für die Atomenergie. Eine von der Umweltorganisation Greenpeace in Auftrag gegebene Studie relativiert dies nun wieder.

Neben den hohen, zum Teil versteckten Kosten, die von Kernkraftgegner immer wieder als Argument gegen den Bau neuer AKWs ins Treffen geführt werden, ist es für Greenpeace mehr denn je das Sicherheitsrisiko, das schlagend wird. Laut der Untersuchung, die dem STANDARD vorliegt, ist selbst 60 Jahre nach Beginn der kommerziellen Atomkraftnutzung keine Lösung in Sicht, was den Atommüll betrifft. Atommüll gibt es mehr als genug. Und vor allem: Jahr für Jahr wird der strahlende Abfall mehr und das Risiko für das Leben von Mensch und Tier größer.

Wiederaufbereitung oder Lagerung

Atomarer Abfall entsteht entlang der Brennstoffkette an verschiedenen Stellen. Am Beginn stehen die Urangewinnung sowie die Zerkleinerung und Umwandlung in Ausgangsmaterial für die Urananreicherungsanlagen. Die nächste Stufe beinhaltet die Herstellung von Brennelemente und die anschließende Produktion von Strom im Kernreaktor. Am Ende bleiben gebrauchte Brennstäbe übrig, die entweder gelagert oder wiederaufbereitet werden müssen.

Allein die Rückstände aus den Uranmühlen belaufen sich laut der Untersuchung, die Greenpeace von Spezialisten für Atommüll durchführen ließ, auf rund 2,3 Milliarden Tonnen weltweit. Die Angaben stützen sich auf zuletzt verfügbares Datenmaterial aus dem Jahr 2011. Der Leichtwasserreaktor als weltweit vorherrschender Reaktortyp wird mit angereichertem Uran beschickt. Ein wesentliches Abfallprodukt davon ist abgereichertes Uran. Schätzungen zufolge gibt es davon rund 1,7 Millionen Tonnen weltweit. Daneben gibt es laut der Untersuchung eine Viertelmillion Tonnen hoch radioaktiver Brennstäbe, verteilt auf 14 Länder.

Hohe Kosten in Frankreich

Sechs Länder – Frankreich, Belgien, Schweden, Japan, USA und Großbritannien – haben die Experten etwas genauer unter die Lupe genommen. In Frankreich belaufen sich die Kosten für das langfristige Handling radioaktiven Abfalls auf etwa 32 Milliarden Euro. Davon werden 26 Milliarden Euro von der staatlichen Stromgesellschaft EdF gestemmt. In dieser Zahl, die vom französischen Rechnungshof kommt und aus dem Jahr 2013 stammt, sind die Kosten für den langfristigen Umgang mit verbrauchten Brennelementen noch nicht enthalten. Dafür sind nochmals 16 Milliarden Euro anzusetzen.

Zwischenlager in Seibersdorf

In Österreich, wo in Zwentendorf zwar ein Kernkraftwerk gebaut, nach einer Volksabstimmung aber nie in Betrieb genommen wurde, gibt es dennoch Abfälle. Am Standort Seibersdorf, wo ein Forschungsreaktor steht, lagern knapp 20.000 Fässer mit atomarem Abfall aus Industrie, Medizin und Forschung. Die Zwischenlagerung ist in den nächsten zwei Jahrzehnten zwar vertraglich abgesichert. Die Gemeinde Seibersdorf erhält dafür pro Jahr von der Republik Österreich rund 800.000 Euro. Dennoch sei es höchst an der Zeit, einen Prozess zur Suche nach einem geologisch einwandfreien Endlager zu initiieren, sagen Experten.

Der Großteil der in Seibersdorf gelagerten Fässer enthält leicht bis mittelschwer strahlendes Material. Es gibt aber auch eine kleinere Fraktion, die mindestens 1000 Jahre gelagert werden muss, damit sie keinen Schaden anrichten kann. Es handelt sich dabei um Abfälle aus der Monarchie, Überreste der Radonforschung, die es zu Kaisers Zeiten in Wien gab.

Atomstromanteil weltweit bei zehn Prozent

Weltweit sind im Vorjahr laut vorläufigen Zahlen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien neun AKWs in Betrieb genommen worden – sieben in China, zwei in Russland. Weil ersten Schätzungen zufolge erneut rund 100 Gigawatt aus Fotovoltaik und 50 Gigawatt aus Windkraft dazugekommen sind, ist der Atomstromanteil an der weltweiten Stromerzeugung 2018 weiter gesunken, und zwar auf etwa zehn Prozent. Zum Vergleich: 1996 lag der Anteil der Atomenergie an der Weltstromproduktion noch bei 17,5 Prozent. (Günther Strobl, 30.1.2019)