Tempi passati: Früher waren der Rapper Bushido (vorn) und Arafat Abou-Chaker gute Kumpel. Sie wollten sogar auf einem gemeinsamen Anwesen im Süden Berlins alt werden.

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Bushidos Frau Anna-Maria Ferchichi hatte darauf offenbar keine Lust.

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"Ich liebe dich", hat Anna-Maria Ferchichi auf Instagram unter das Foto geschrieben, das sie und ihren Ehemann Anis Ferchichi zeigt. Bekannt ist dieser unter dem Namen Bushido, und seine Ehefrau hat noch eine Botschaft an ihn und einige andere: #EsGehtBergauf.

Was das genau heißt, wo die beiden sind, ob sie unter dem Schutz der Polizei stehen – das würden viele gerne wissen. Seit geraumer Zeit macht Bushido nicht mehr mit seiner Musik Schlagzeilen, die Storys finden sich fast ausschließlich im chronikalen Bereich, Stichwort Kriminalität.

Die Geschichte beginnt im Jahr 2004. Da lernt der damals noch kaum bekannte Bushido in Berlin Arafat Abou-Chaker kennen. Der gebürtige Deutsche gehört zu einem weitverzweigten Clan libanesischer Palästinenser, die Polizei geht von 200 bis 300 Mitgliedern in der Hauptstadt aus.

Ausstieg mithilfe von Abou-Chaker

Bushido wollte aus seinem Label Aggro Berlin raus, wobei Abou-Chaker behilflich war. Über die Methoden schrieb Bushido in seiner Autobiografie: "Alle krassen Geschichten, die in Berlin passieren, haben immer etwas mit der Familie Abou-Chaker zu tun." Man fand Gefallen aneinander, die Beziehung wurde immer enger, beide gründeten Firmen und stiegen auf: Bushido machte seine musikalische Karriere, Arafat Abou-Chaker gilt heute als Oberhaupt des Abou-Chaker-Clans.

Die treibende Kraft war Geld. Bushido scheffelte Millionen, Abou-Chaker hielt ihm den Rücken frei. Darauf angesprochen, dass er sich mit einem Clan mit mafiösen Strukturen eingelassen habe, sagte Bushido 2008 in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau: "Natürlich habe ich Kumpels, die mir sagen: 'Du fasst niemanden an, wir machen das.'"

Ende der Männerfreundschaft

2010 erteilte der Musiker Abou-Chaker sogar eine "Generalvollmacht" für all seine Geschäfte. Bushido hat sich Abou-Chaker verkauft, hieß es damals in den Medien. Doch 2018 war Schluss mit der Männerfreundschaft. "Dahinter steckt die Ehefrau von Bushido", sagt der Islamwissenschafter Ralph Ghadban, der ein Buch über das Thema geschrieben hat (Arabische Clans: Die unterschätzte Gefahr, Ullstein-Verlag), zum STANDARD.

Anna-Maria Ferchichi, Schwester der Sängerin Sarah Connor, war nicht bereit, sich zu unterwerfen. "Er bestimmte unser gesamtes Leben, das ganze Denken meines Mannes. Was wir zu tun haben, welche Küche wir kaufen, wie wer bestattet wird. Wie wir unsere Kinder erziehen", klagte sie im Stern über den einstmaligen Buddy, und Bushido widerrief seine Generalvollmacht.

Dass der Clan dies nicht so einfach hinnehmen würde, war absehbar. Es kursierten Gerüchte, Bushidos Kinder sollten entführt, seine Frau mit Säure übergossen werden. Mittlerweile sitzen Abou-Chaker und sein Bruder Nasser in U-Haft. Nach Informationen der Bild lieferte Nassers Ehefrau der Polizei die entscheidenden Informationen, sie lebt jetzt bei ihrer Familie in Dänemark.

Keine genauen Zahlen über Clans

"Man muss fast für diesen Fall dankbar sein", meint der Autor Ghadban, "denn er wirft nun ein Schlaglicht auf diese Clan-Problematik, die sowohl Polizei als auch Politik jahrelang unterschätzt haben." Es gibt bis heute keine genauen Zahlen über arabische Clans. 200.000 Mitglieder haben sie angeblich, allerdings gehen Ermittler nicht davon aus, dass alle kriminellen Machenschaften wie Schutzgelderpressungen, Drogengeschäften, Waffenhandel oder Geldwäsche nachgehen.

In Berlin existieren laut Ghadban sechs bis 20 namhafte Clans. "Sie sind aber als solche nicht erfasst, weil die Polizei jahrelang ein Auge zugedrückt hat", sagt er. Zudem verfügen die Familien über gute Anwälte und offenbar auch "gute Argumente". 33-mal ermittelte die Berliner Staatsanwaltschaft in den vergangenen Jahren gegen Arafat Abou-Chaker. Zu einer Verurteilung kam es nie, weil sich viele Zeugen plötzlich nicht mehr erinnern konnten.

Goldmünze aus Museum weg

Holger Münch, der Chef des Bundeskriminalamtes, hat Versäumnisse in den 1980er- und 1990er-Jahren eingeräumt. Zuwanderer ohne Bleibeperspektive hätten sich ansiedeln und abgeschottet leben können, Kriminalität hätte keine ausreichende Konsequenz gehabt. 2017 wurden laut BKA bundesweit 39 Verfahren im Bereich organisierte Kriminalität geführt, die Bezüge zu arabischen und türkischen Clans hatten.

Drei Fälle in Berlin sind als besonders spektakulär in Erinnerung: Sowohl der Raub einer einhundert Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Bode-Museum im Wert von 3,5 Millionen Euro als auch der Überfall auf das Nobelkaufhaus KaDeWe und einer auf ein Pokerturnier sollen auf das Konto von Clans gehen.

Die Polizei will nun verstärkt gegen die kriminellen Mitglieder der Großfamilien vorgehen. Im nordrhein-westfälischen Essen berieten am Mittwoch 500 Experten über Strategien. Innenminister Herbert Reul (CDU) will die "Strategie der 100 Nadelstiche" mit verstärkten Razzien und Kontrollen fortsetzen. Es soll auch mehr Angebote für Aussteigewillige geben.

"Man muss ihnen ans Geld"

In den Familien selbst gilt die Omertà. Mitglieder sprechen nicht mit der Polizei, man schweigt eisern, es wird alles innerhalb der Familie selbst geregelt. "Man muss ihnen ans Geld", sagt Ghadban und verweist auf eine Berliner Aktion, die als großer Schlag gilt: Im Sommer wurden 77 Immobilien und Grundstücke eines Clans im Wert von 9,3 Millionen Euro beschlagnahmt, darunter war auch eine Schrebergartensiedlung.

Bushido übrigens verlässt sich nach dem Bruch mit Abou-Chaker nicht allein auf die Polizei. Er soll sich nun dem – in Polizeikreisen als noch mächtiger eingeschätzten – libanesischen Clan von Ashraf Remmo anvertraut haben. (Birgit Baumann aus Berlin, 31.1.2019)