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Matteo Salvini muss mit einer Haftstrafe rechnen.

Foto: AP Photo/Luca Bruno

Die Causa Salvini hat ihren Ursprung in der Odyssee der Diciotti im vergangenen Sommer: Das Schiff der italienischen Küstenwache hatte am 16. August 190 Flüchtlinge an Bord genommen; laut Gesetz hätten sie unverzüglich in einen sicheren Hafen gebracht werden müssen. Stattdessen dümpelte die Diciotti auf Geheiß von Innenminister Matteo Salvini zunächst einige Tage vor der Insel Lampedusa, wo 13 Schwerkranke in ein Krankenhaus gebracht wurden. Mit den verbliebenen 177 Personen lief das Schiff am 20. August im sizilianischen Catania ein, wo die angeschlagenen Flüchtlinge unter der sengenden Sonne bis zum 25. August ausharren mussten, bis sie von Bord gehen durften.

Für Staatsanwalt Luigi Patronaggio waren Salvinis Weisungen nichts anderes als Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch: Die 177 Flüchtlinge seien grundlos und ohne jede Gesetzesgrundlage auf der Diciotti festgehalten worden. Inzwischen hat das Ministertribunal, das sich mit den Straftaten von Regierungsmitgliedern befasst, die Vorwürfe bestätigt und die Durchführung eines Prozesses gegen Salvini beantragt. Der Innenminister habe "mehrfach nationale und internationale Gesetze gebrochen", schrieb das Tribunal vergangene Woche. Es fordert die Aufhebung der Immunität des Senators und Innenministers.

Zunächst lachte Salvini noch, ...

Am Anfang hatte der Lega-Chef noch über die Anschuldigungen gelacht: "Die Staatsanwälte sollen mich ruhig verhaften; ich bin stolz darauf, die Interessen und die Sicherheit der italienischen Bürger zu verteidigen, und werde das bis zum Ende weiterhin tun", erklärte der Innenminister noch im August.

Wie einst der liberal-konservative Premier Silvio Berlusconi stellte sich Salvini als Opfer einer politisierten Justiz dar: "Wenn ein Richter oder ein Staatsanwalt Politik machen will, dann soll er sich im sozialdemokratischen Partito Democratico einschreiben und an Wahlen teilnehmen", sagte Salvini. Er habe sich nichts vorzuwerfen und werde sich nicht auf die parlamentarische Immunität berufen, betonte er auch kurz nach dem Verdikt des Ministertribunals.

... doch das ist ihm vergangen

Doch nun hat der "Sheriff" und "Capitano", wie Salvini von seinen Anhängern genannt wird, doch noch kalte Füße bekommen. Immerhin riskiert er im Fall einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft – und seine Anwälte haben ihm klargemacht, dass seine Chancen auf einen Freispruch nicht allzu rosig seien.

Am Dienstag veröffentlichte der "Corriere della Sera" ein Schreiben des Innenministers, in dem dieser seine Kolleginnen und Kollegen im Senat aufforderte, der Aufhebung der Immunität nicht zuzustimmen. Er wolle sich nicht vor der Verantwortung drücken, aber er sei überzeugt davon, im Rahmen seiner politischen Befugnisse als Minister gehandelt zu haben.

Koalitionspartner im Dilemma ...

Salvinis plötzliche Weigerung, auf seine Immunität zu verzichten, stürzt seinen Koalitionspartner Cinque Stelle (M5S) einmal mehr in ein schweres Dilemma. Denn für die Grillini war die parlamentarische Immunität nie etwas anderes als ein hassenswertes Privileg der Politikerkaste, das abgeschafft gehört.

Das ging so weit, dass die Abgeordneten des M5S bisher auch dann für die Durchführung eines Prozesses stimmten, wenn es einen der Ihren betraf. Warum in aller Welt sollten sie nun ihre Meinung ändern, wenn es um den bei der Basis der Protestbewegung nicht sonderlich beliebten Innenminister und Vizepremier der Lega geht? Die M5S-Wähler würden es nicht verstehen – und wohl auch nicht verzeihen.

... ohne Ausweg?

Das Problem für den Politikchef und Vizepremier der Fünf Sterne, Luigi Di Maio, besteht darin, dass ihm hochrangige Exponenten der Lega deutlich klargemacht haben, dass die Regierung nicht überleben würde, wenn der Koalitionspartner in dieser zentralen Frage gegen Salvini votiert.

Um den Senatoren der Cinque Stelle einen Ausweg aus dem Dilemma zu weisen und einen Sturz seiner Regierung zu verhindern, erklärte der parteilose Premier Giuseppe Conte am Mittwoch, dass es sich bei der Politik der geschlossenen Häfen und beim Festhalten der Flüchtlinge auf der Diciotti um eine "gemeinsame politische Linie" der gesamten Regierung gehandelt habe, für die er "persönlich die volle Verantwortung" übernehme.

Geduld der Wähler wird auf die Probe gestellt

Von einer gemeinsamen Linie kann freilich keine Rede sein: Die restriktive Politik und Propaganda gegen Migranten trägt die alleinige Handschrift Salvinis und stößt bei vielen Grillini auf Ablehnung. Und so bleibt das Dilemma bestehen: Stimmen die Senatoren der Cinque Stelle für die Aufhebung der Immunität Salvinis, dann ist es vorbei mit der gemeinsamen Regierung. Votieren sie dagegen, dann ist es vorbei mit der Geduld der eigenen Wähler. Die Immunitätskommission des Senats hat am Mittwoch ihre Beratungen zur Causa Salvini aufgenommen; eine Entscheidung wird am 23. Februar erwartet. Anschließend muss auch noch das Plenum des Senats über die Immunität seines Mitglieds Salvini entscheiden. (Dominik Straub aus Rom, 30.1.2019)