Die Liste an Streitpunkten zwischen Österreich und der EU-Kommission ist um einen Punkt länger geworden. Nach Informationen des STANDARD liegen Brüssel und die Regierung in Wien im Clinch miteinander darüber, wie aggressive Steueroptimierung durch multinationale Unternehmen am besten eingedämmt werden kann.

Der Streit dreht sich um Unternehmen, die einen speziellen Trick mit hohen Zinszahlungen ans Ausland nutzen, um ihre Steuerlast zu senken. 2016 wurde eine EU-Richtlinie beschlossen, die strengere Vorschriften dazu festschreibt, wann dieser Trick genutzt werden kann. Festgelegt wurde, dass die Regeln bis Ende 2018 umzusetzen sind.

Eine zusätzliche Klausel wurde in die Richtlinie aufgenommen: Jeder Staat, der nachweisen kann, dass er bereits über eine ähnlich effektive Regelung wie jene der EU verfügt, kann sich mit der Umsetzung bis 2024 Zeit lassen. Wie nun bekannt geworden ist, hat die EU-Kommission im Dezember offiziell mitgeteilt, dass man die österreichische Regelung als nicht gut genug erachtet. Spanien, Slowenien, Frankreich, die Slowakei und Griechenland haben dagegen grünes Licht für ihre Sonderregeln erhalten.

Verschärfter Kampf

Die Initiative der EU ist ein Teil des verschärften Kampfs gegen aggressive Steuerplanung. Multinationale Konzerne verschieben Gewinne oft zwischen Ländern hin und her, um ihre Abgabenlast zu drücken. Nicht nur IT-Unternehmen wie Apple und Facebook machten wegen entsprechender Praktiken zuletzt Schlagzeilen, sondern auch Unternehmen wie Nike und Ikea.

Ein seit Jahren beliebter Trick funktioniert mit Zinszahlungen. Er geht so: Ein Unternehmen in Österreich gründet zum Beispiel eine Tochtergesellschaft in Zypern. Das Unternehmen transferiert einen Teil seines Cash, sagen wir 100 Millionen Euro, auf die Insel. Daraufhin vergibt die zypriotische Gesellschaft an das Mutterunternehmen in Österreich einen Kredit über 100 Millionen Euro. Das österreichische Unternehmen braucht diese Finanzierung nicht. In Wahrheit wird das Geld im Kreis geschickt.

Interessant macht den Vorgang ein anderer Punkt: Das österreichische Unternehmen zahlt nun Jahr für Jahr Zinsen an die eigene Gesellschaft in Zypern. Diese Zahlungen schmälern den Gewinn des Unternehmens in Österreich. In Zypern unterliegen die Zahlungen kaum einer Besteuerung. Mit der Zeit kommen hohe Millionenbeträge zusammen, die sich das Unternehmen erspart.

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Mit Zinszahlungen an ausländische Gesellschaften können Unternehmen kräftig Steuern sparen.
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Berüchtigt unter Steuerexperten sind etwa Schweizer Finanzierungsbetriebsstätten: Das sind eigene Gesellschaften, die in der Schweiz nur errichtet werden, um Zinszahlungen einzustreichen, die dann nur minimal versteuert werden. Auch Malta, Zypern und Liechtenstein werden für solche Konstruktionen genutzt.

Die EU-Regel, auf die man sich 2016 geeinigt hat, sieht eine absolute Grenze vor: Im Kern gilt, dass Zinszahlungen eines Unternehmens bis maximal 30 Prozent des Vorsteuergewinns anerkannt werden. Ob die Zinszahlungen an eine fremde Bank oder eine eigene Gesellschaft gehen, spielt dabei keine Rolle.

In Österreich wurde vor einigen Jahren schon eine Sonderregel eingeführt, um den Zinstrick zu erschweren. Zinszahlungen an konzernzugehörige Gesellschaften werden von der Finanz nicht anerkannt, wenn die Steuerlast im Ausland auf diese Zahlungen unter zehn Prozent liegt. Im Finanzministerium in Wien hält man diese heimische Bestimmung für gleich gut wie die neue EU-Regel. Noch dazu sei sie "in der Handhabung einfacher und effizienter". Von diesem Standpunkt will die Finanz auch die EU-Kommission überzeugen.

Finanz glaubt an eigene Regel

Wer ist im Recht? Experten wie Florian Rosenberger vom Beratungsunternehmen KPMG tun sich schwer mit einer klaren Aussage dazu. Die österreichische Regierung hat den Vorteil, dass sie jegliche Zahlungen in Niedrigsteuerländer verhindern soll und eine Grenze nicht erst aber einer gewissen Höhe im Verhältnis zum Gewinn eingezogen wird, sagt er. Der Nachteil: Nicht immer ist es für die heimische Finanz leicht festzustellen, wie Zinszahlungen im Ausland besteuert werden.

In Brüssel bestätigte die Kommission, dass man den österreichischen Fall derzeit prüfe und dass die bisherige Regelung nicht ausreichend sei. Erst danach werde über weitere Schritte entschieden.

Im Hintergrund eine wichtige Rolle spielen dürfte der Wettbewerb mit Deutschland. Konzerne, die keinen Gewinn machen, können nach der neuen EU-Regel keine Zinsausgaben absetzen. Auch Unternehmen, die eine echte Finanzierung aus dem Ausland erhalten, steigen mit der EU-Regel schlechter aus. Deutschland hat die neuen Regeln bereits in Kraft gesetzt – wenn Österreich nicht nachzieht, wäre das zwischenzeitlich ein Standortvorteil. (András Szigetvari, 31.1.2019)