Bern – Was in der Science Fiction gerne mit Begriffen wie "Hypnoschulung" beschrieben wird, funktioniert in kleinem Ausmaß tatsächlich: Selbst im Tiefschlaf kann der Mensch lernen – wenn auch nicht unbedingt komplexe Inhalte. Schweizer Forscher führten dazu eine Reihe von Experimenten durch und veröffentlichten ihre Ergebnisse in "Current Biology".

Das Experiment

Die Psychologin Katharina Henke und ihre Kollegen Marc Züst und Simon Ruch von der Universität Bern haben 41 Schlafende über Kopfhörer mehrfach mit Fantasiewörtern beschallt, denen sie jeweils unterschiedliche Bedeutungen zuordneten. Eine Versuchsperson hörte etwa "Guga – Vogel", eine andere "Guga – Elefant". Nach dem Aufwachen wurden die Probanden dann befragt: Ist Guga ein großer oder kleiner Gegenstand, passt es in eine Schuhschachtel oder nicht?

Wenn das zweite Wort des Wortpaares in einer bestimmten Schlafphase bei den Menschen ankam, identifizierten die Versuchspersonen nach dem Aufwachen 60 Prozent der Fantasiewörter korrekt als etwas Großes oder Kleines – so, wie sie es im Schlaf gehört hatten.

Entscheidend war allerdings, die "Up-state" genannte Schlafphase zu treffen. Dabei handelt es sich um Phasen, in denen alle Gehirnzellen gemeinsam aktiv sind. Sie dauern nur eine halbe Sekunde und wechseln sich ab mit passiven Phasen ("Down-State") ohne Aktivität. In welcher Phase sich das Gehirn gerade befindet, lässt sich mit einem EEG-Gerät bestimmen, das die elektrische Aktivität des Gehirns misst.

Interpretation

Gedächtnisbildung sei also sowohl im bewussten als auch unbewussten Zustand möglich, sagt Studienkoautor Züst. "Wir wollten zeigen, dass man auch in unbewusstem Zustand lernen kann." Daraus lasse sich aber nicht die Empfehlung ableiten, sich generell nachts mit Informationen berieseln zu lassen in der Hoffnung, dass etwas hängen bleibe. Schließlich wisse man noch nicht, ob das nicht auch ungewollte Folgen haben könne.

Henke sieht aber eine mögliche Anwendung bei Menschen mit Lernschwierigkeiten. So könnten die Erkenntnisse womöglich zu einem zweistufigen Lernverfahren führen: einmal die unbewusste Aufnahme im Schlaf durch Beschallung mit bestimmten Lerninhalten, verstärkt durch das Lernen der gleichen Inhalte im wachen Zustand. Schlafforscher Young sieht mögliche Anwendungsgebiete auch in der Rehabilitation nach Krankheit oder Unfällen.

Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, Peter Young, spricht von einer bahnbrechenden Studie: "Dies ist eine neue Dimension des Verständnisses von Schlaf." Bekannt war schon zuvor, dass Schlaf zur Lernkonsolidierung beitrage, also zur Verfestigung des zuvor Gelernten. "Wer abends Flöte spielt, kann das Stück oft morgens besser, weil der Lerneffekt bei gutem Schlaf konsolidiert wird", sagt Young. Dass auch ohne Bewusstsein im Tiefschlaf Assoziationen stattfinden, sei neu. (APA, red, 1. 2. 2019)