Wien – Temperaturen um den Gefrierpunkt und eisiger Wind, der durch die Straßen pfeift – nicht unbedingt jene Wetterverhältnisse, die Menschen dazu bringen sich aufs Fahrrad zu schwingen. Vor allem, wenn zu den klammen Fingern auch noch eine klamme Börse kommt. Unter diesen Umständen mit dem Fahrrad auszuliefern, beispielsweise als Kurier der Firma Foodora, klingt nur bedingt nach einem Traumjob. Aber die Nachfrage nach Fahrradboten ist groß – und nimmt weiter zu.

Um einen Mangelberuf, wie es für das Arbeitsmarktservice (AMS) etwa ein Koch ist, handelt es sich bei der Riege der Fahrradkuriere jedoch nicht. "Fahrradboten sind meist in freien Dienstverhältnissen, diese scheinen bei uns nicht auf", sagt eine Sprecherin des AMS.

Offiziell ist Fahrradbote in Österreich kein Mangelberuf, aber es fällt Anbietern wie Foodora offenbar schwer, ausreichend Personal dafür zu gewinnen.
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Dennoch fällt es den seit vergangenen Sommer zusammengehörenden Bestellplattformen Mjam und Foodora offenbar schwer, offenen Stellen bzw. leere Satteln zu besetzen. Aktuell werden mehr als 300 Boten in ganz Österreich gesucht. 152 sind es beispielsweise in Wien, 128 in Graz. Wohl ein Mitgrund, warum sich die Unternehmen entschieden haben, ihr Bezahlmodell für freie Dienstnehmer mit Jahresbeginn aufzubessern. Die Änderung betrifft 710 Fahrradboten, das sind rund 90 Prozent der ganzen Flotte.

Änderung im System

Bisher sah es so aus, dass ein Fahrer ein Fixum von vier Euro pro Stunde erhielt plus weitere zwei je Bestellung. Diese zwei Euro setzten sich aus Bestellbonus (1,24 Euro) und Kilometergeld (0,76 Euro) zusammen. Im neuen System werden die Radler pro Bestellung bezahlt. Vier Euro gibt es für einmal Essen ausliefern. Das Unternehmen garantiert jedoch einen Mindestsatz von acht Euro pro Stunde. Drei Bestellungen entsprechen somit zwölf Euro und nicht wie bisher zehn. "Wenn ein Bote nur eine Bestellung in der Stunde reinkriegt, bekommt er von uns trotzdem die acht Euro. Wir nehmen das Risiko auf uns", sagt Foodora-Geschäftsführer Artur Schreiber Anfrage des STANDARD. Man wolle den Fahrern ein faireres Gehalt bieten.

Bei den Fahrern herrscht ambivalente Stimmung. Die einen zeigen sich begeistert: "Mit rund drei Bestellungen in der Stunde lässt sich seit der Umstellung gutes Geld verdienen", sind sich beispielsweise Sarah Kratzwald und Maksymilian Ziemnik einig. Andere weniger: "Wir bekommen zwar acht Euro fix, aber die Bestellungen haben seit der Umstellung tendenziell abgenommen", meinen zwei Fahrer zum STANDARD, die namentlich nicht genannt werden möchten. Für beide sei es allerdings noch zu früh, um ein endgültiges Urteil abzugeben. Wer welche Bestellungen bekommt entscheidet schlussendlich der Algorithmus.

Rote Zahlen

Bei Foodora hat man sich zu diesem Schritt entschieden, obwohl nach wie vor rote Zahlen geschrieben werden. "Die Zusammenlegung mit Mjam hat das finanzielle Volumen erhöht und diese Änderung ermöglicht", sagt Schreiber. Für den Kunden und die Restaurants ändere sich nichts. Mjam und Foodora gehören zwar zu dem deutschen Konzern Delivery Hero, doch diese Art der Bezahlung beschränkt sich auf Österreich.

Selbst der Foodora-Betriebsrat, der üblicherweise nicht mit Kritik spart, steht dem neuen System offen gegenüber: "Für die freien Dienstnehmer ist das ein positiver Schritt, der uns natürlich freut. Auf der Kehrseite gab es für die Angestellten keinen Verbesserung", sagt der stellvertretende Betriebsrat Robert Walasinski. Außerdem würde auf kurze Sicht das freie Dienstverhältnis attraktiver, weil sich mehr verdienen lässt. (Andreas Danzer, 31.1.2019)