Wien – Einblicke in ländliches Brauchtum kann man beim von der ehemaligen Grünen-Chefin Eva Glawischnig angestrengten Prozess gegen Richard H. erhalten. Der 44-jährige Steirer muss sich wegen Beleidigung vor Richter Hartwig Handsur verantworten. Im März 2017 soll H. in der Facebook-Gruppe "Unsere blaue Seite" aktiv geworden sein. Er postete einen Kommentar unter einem Artikel der "Salzburger Nachrichten" mit dem Titel: "Grüne pochen auf eigenes Frauenministerium". H.s Reaktion auf diese Meldung: "Diese grüne Muschi, soll sie doch mal die Moslems fragen, das würde sie wohl nicht überleben."

Der unbescholtene Angeklagte gibt sich jovial: "Ehrlich, Herr Rat, ich weiß nicht mehr, ob ich das geschrieben habe. Es war eine lustige Männerrunde, wir haben das Facebook durchgeschaut und das Handy weitergegeben. Ich weiß nicht mehr, wer es geschrieben hat, und ich werde die Kollegen jetzt nicht fragen."

Angeklagter glaubte an Scherzanruf

Handsur ist etwas konsterniert. "Als das steirische Landesamt für Verfassungsschutz bei Ihnen angerufen hat, haben Sie noch gesagt, Sie hätten es geschrieben und wollen nicht mit dem Verfassungsschutz reden." – "Ich habe geglaubt, ich werde gefoppt. Da ruft irgendwer an und sagt, er ist der Verfassungsschutz. Das hätte ja auch Radio Steiermark sein können!", entschuldigt sich der Angeklagte, der schließlich doch die Verantwortung für den Beitrag übernimmt.

"Gut", meint der Richter, "wenn Sie es also geschrieben haben, wie haben Sie es gemeint?" – "Es ist unglücklich formuliert." – "Was könnte damit gemeint sein?" – "Was Grünes kann alles Mögliche sein. Die Steiermark ..." – "Es geht mir jetzt weniger um die Farbe", unterbricht Handsur den Angeklagten. "Und sagen Sie jetzt nicht, Sie haben mit 'Muschi' eine Katze gemeint."

H. konzediert schließlich, dass sich eine Frau durch die Bezeichnung "Muschi" durchaus beleidigt fühlen könnte. "Und steht es da, weil Sie die politische Idee eines Frauenministeriums für blöd halten oder weil Frau Glawischnig eine Frau ist?", bohrt der Richter nach. Klare Antwort bekommt er keine.

"Herr Staatsanwalt" zur Anklägerin

Auch die Anklägerin nicht, als sie wissen will, wer die Mitglieder der "lustigen Männerrunde" gewesen seien. Es entspinnt sich folgender Dialog: "Da gibt es den Walter, da gibt es den Rudolf ..." – "Nachnamen?" – "Die weiß ich nicht." – "Sie kennen die Nachnamen Ihrer Freunde nicht?" – "Herr Staatsanwalt ..." – "Ich bin eine Frau und kein Herr!" – "Entschuldigen Sie, Frau Staatsanwältin." – "Und Sie geben einfach Ihr Handy weiter, damit jeder in Ihrem Namen posten kann?" – "Bei uns am Land ist das üblich." – "Ich komme auch vom Land." – "Von woher genau?" – "Das erörtere ich jetzt nicht. Also gibt jeder sein Handy her?" – "Bei uns herrscht Vertrauen."

Nebenanklägerin und Privatbeteiligtenvertreterin Elsa Wessely von der auch für den STANDARD tätigen Kanzlei Windhager ist durchaus zu einem Vergleich bereit. 604,27 Euro sind bisher an Anwaltskosten aufgelaufen, 250 Euro Schadenersatz will Glawischnig. "Mhhmm, das ist ein gewaltiger Betrag für mich", sieht sich der Alleinerziehende überfordert. Es beginnen Vergleichsgespräche, die schließlich damit enden, dass H. innerhalb von sechs Wochen 700 Euro zahlen wird.

Da daraufhin die Ermächtigung zur Verfolgung und damit auch die Anklage zurückgezogen werden, wird H. von Handsur nicht rechtskräftig freigesprochen. (Michael Möseneder, 6.2.2019)