Donald Trump empfing Chinas Vizepremier Liu He.

Foto: APA/AFP/BRENDAN SMIALOWSKI

Der Präsident diskutiert.

Foto: APA/AFP/BRENDAN SMIALOWSKI

Ist Chinas Welt noch im Lot? Ja, sagen die staatlichen Statistiker, doch die Führung ist nervös.

Foto: APA/AFP/STR

Der Sprecher des Statistischen Amts, Mao Shengyong, sieht Chinas Welt noch im Lot. "Natürlich hoffen wir auf eine Einigung im Handelsstreit mit den USA", sagte er beim Treffen mit ausländischen Korrespondenten in Peking. Sonst würden doch alle, auch die Börsen und die Weltwirtschaft, darunter leiden. Aber selbst wenn die Gespräche scheitern und US-Präsident Donald Trump Ernst macht mit seiner für 1. März angedrohten massiven Erhöhung der US-Strafzölle auf China-Importe, wäre der Schaden begrenzt. Exportfirmen hätten das Nachsehen. "Ich glaube, dass diese längst auf diesen Fall vorbereitet sind. Sie sind klug und würden neue Vertriebswege nutzen."

Mao und seine Mitarbeiter waren die einzigen Beamten, die im kleinen Kreis mit Journalisten am Mittwochabend bereit waren, über die Verhandlungen mit den USA zu sprechen. Chinas Führung hatte ihren Medien jede öffentliche Debatte verboten, als die von Vizepremier Liu He geleitete Delegation mit den US-Unterhändlern unter Robert Lighthizer ihre Gespräche in Washington zur Beilegung des Handelsstreit aufnahm.

Nach Ende der Verhandlungen verkündete Lighthizer, man habe "substanzielle Fortschritte" erzielt, allerdings gebe es noch viel zu tun.

Botschaft für Trump

Die Statistiker verbreiten Optimismus, obwohl die USA fast ein Fünftel (19 Prozent) der Exporte der Volksrepublik abnimmt, deren Wirtschaft unter Abwärtsdruck steht, und ein Scheitern der Verhandlungen China schwer treffen würde. Die 6,6 Prozent, um die 2018 Chinas Wirtschaft wuchs, seien robust, zumal Peking nicht mehr auf das Tempo des Wachstums drängt, sondern auf bessere Qualität und mehr Beschäftigung setzt.

Doch wie nervös Pekings Führer wirklich sind, zeigte sich, als der Volkskongress eine Sondersitzung seines Ständigen Ausschusses einberief. Der winkte am Mittwoch in zweiter Lesung innerhalb von nur fünf Wochen seinen neuen, vereinheitlichten Gesetzesentwurf für Auslandsinvestitionen durch. Peking setzte ein Signal, um seinem Unterhändler Liu in Washington Schützen- und Argumentationshilfe zu leisten. Dessen Botschaft für Trump: China sei auf dem Weg, die US-Forderungen nach strukturellen Reformen zu erfüllen.

Video des Treffens Trumps mit Liu He. Sorry für Fox News.
Fox News

Denn Washington verlangt nicht nur von Peking, für mindestens 300 Milliarden Dollar mehr US-Waren in den nächsten Jahren zu importieren, als es derzeit tut, um immense Handelsdefizit zulasten der USA zu verringern. Es fordert einen überprüfbaren Wandel, der Chinas notorischem Diebstahl geistigen Eigentums und seiner Forderung nach Zwangstransfer ausländischer Technologien Riegel vorschiebt und ausländischem Kapital Zugang zu Chinas Markt ermöglicht.

Neues Gesetz im Schnelldurchgang

Nach Pekings Lesart verspricht genau das sein neuer Entwurf. Er tritt an Stelle von drei bisherigen Gesetzen über Auslandsinvestitionen. Nach Angaben von Xinhua waren bis Ende Oktober 2018 fast 950.000 ausländisch finanzierte Unternehmen in China registriert, deren Investitionen sich auf mehr als 2,1 Billionen Dollar addierten. Zehn Prozent davon kamen aus den USA. Alle ausländischen Wirtschaftskammern in China beklagten in den vergangenen Jahren Pekings Reformstau, das Investitionsklima würde sich ständig verschlechtern.

China reagierte nun mit einem neuen Gesetz. Im Schnelldurchgang wurde sein Entwurf verabschiedet und soll dem am 5. März zusammentretenden Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden, ein einmaliger Vorgang für den Volkskongress. Parlamentspräsident Li Zhanshu verriet, wie eilig Peking es plötzlich mit dem seit 2015 diskutierten Vorhaben hatte: Der Entwurf sei durch eine "eigens angesetzte Ausschusssitzung des Volkskongresses" gebracht worden. Parteichef Xi Jinping habe die "beschleunigte Erstellung eines einheitlichen Gesetzes" verlangt, zur "Gleichbehandlung einheimischer wie ausländischer Investoren".

Der Entwurf, für den bis 24. Februar die öffentliche Anhörungsfrist läuft, legt Regeln vor, die Auslandsinvestoren auch die Inanspruchnahme staatlicher Förderungen oder Vorzugsbedingungen erlauben sollen, so wie ihren chinesischen Konkurrenten. Eine "Negativliste" bestimmt mit 48 Punkten, welche Bereiche (etwa Investitionen in Medien) grundsätzlich Auslandsinvestoren versperrt bleiben.

Umsetzung entscheidet

US-Unterhändler kommentierten skeptisch, dass für sie nicht das Gesetz selbst, sondern dessen Umsetzung entscheidend sei. Kritik am beschleunigten Verfahren übte auch die EU-Kammer in Peking. Kammerchef Mats Herborn sprach zwar von einem sehr wichtigen Gesetz. Er bedauerte aber, dass der EU unter dem Druck der Verhandlungen zwischen den USA und China, für die das Gesetz so schnell durchgewinkt wurde, keine Zeit zur Diskussion und Verbesserungsvorschlägen bleibt.

Pekinger Beobachter waren sich einig, dass China mit dem Gesetz auf den Druck reagiert, den Handelskonflikt rasch durch Zugeständnisse zu beenden. Zugleich diskutieren die Behörden, mit welchen und mit wie viel Förderungen sie die Binnenwirtschaft ankurbeln können. Denn die Wirtschaftsaussichten trüben sich ein: Im letzten Quartal 2018 stürzten die Wachstumszahlen ab, ob im Außenhandel oder beim Inlandsprodukt, beim Absatz von Autos und Mobiltelefonen wie beim Luxuskonsum und in der Industrieproduktion.

Die Reformkommission NDRC, Pekings Wirtschaftsplaner, kündigte vor dem chinesischen Neujahr in Pressekonferenzen Initiativen zur Belebung der Wirtschaft und vor allem zur Stimulierung des Konsums an. Die Maßnahmen, die auf dem Volkskongress im März konkretisiert werden sollen, reichen von einer Senkung der Einkommensteuern bis zum gezielten Abbau von Verbrauchssteuern, von erleichterter Kreditvergabe bis zum erneuten Infrastrukturausbau, etwa mit neuen Hochgeschwindigkeitsbahnen. 2019 will die zur CRC (China Railway Corp.) zusammengelegte Gruppe staatlicher Eisenbahngesellschaften die Rekordsumme von 850 Milliarden Yuan (rund 120 Milliarden Euro) in den Bahnausbau investieren. 2018 waren es 803 Milliarden.

Sand im Getriebe

Private Investitionen in den Automobilsektor und in den Wohnungsbau sowie staatliche Investitionen in die Bahninfrastruktur waren bisher drei Motoren für Chinas Konjunktur. Alle drei sind angeschlagen. Am Beispiel des Ausbaus der Hochgeschwindigkeitsbahnen hat das finanzpolitische Magazin "Caixin" jetzt die erste Debatte darüber vom Zaun gebrochen, wie viele seiner gigantischen Entwicklungsprojekte China immer tiefer in den Schuldensumpf ziehen.

In nur zehn Jahren vom Bau der ersten Highspeedbahn 2008 bis Ende 2018 wurden in China rund 29.000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken gebaut, doppelt so viel, wie die gesamte Welt in einem halben Jahrhundert geschafft hat. Doch als Kehrseite hatten sich bis September 2018 die Schulden des CRC-Bahnkonsortium auf 5,28 Billionen Yuan (mehr als 700 Milliarden Euro) aufgetürmt, schreibt Forschungsdirektor Jiao Jian von der Pekinger Verkehrsuniversität in "Caixin". "Unter der enormen Höhe der Schuldenaufnahme der Lokalregierungen und den damit einhergehenden finanziellen Risiken ächzt das Land."

Teure Impulse

Befürworter halten die Vorteile der Konnektivität dagegen, die Impulse des Bahnbaus für Chinas Industrialisierung, Urbanisierung, Beschäftigung und zur Entwicklung hunderter neuer Zentren. Doch Bau und Betrieb von Highspeedbahnen seien nicht nur doppelt bis dreimal so teuer wie bei anderen Zügen. Weil sie nur Personen befördern, rechneten sich nur zwei der Strecken, die von Peking nach Schanghai und Kanton durch dichtbevölkerte Gebiete führen. Alle anderen schreiben Verluste. Die durchschnittliche Auslastung von Chinas Highspeedbahnen betrage weniger als die Hälfte der japanischen Shinkansen. Hinzu komme, dass sie den Güterverkehr auf die Straße abdrängten, wo Lastwagenkolonnen Rohstoffe wie Kohle transportieren müssen.

Wirtschaftsforscher Jiao Jian nennt das Mammutprojekt Bahn ein "graues Nashorn", ein Symbol zur Beschreibung akuter Gefahren, die der Wirtschaft drohen, die aber keiner sehen will. Auf den Prüfstand kommen derzeit viele solcher Projekte. "China muss sich vor schwarzen Schwänen (unvorhersehbaren Ereignissen) und grauen Nashörnern in Acht nehmen", warnte Parteichef Xi vergangene Woche seine Landsleute. Sein Handelskrieg mit den USA fällt unter die Tierart der Nashörner. (Johnny Erling aus Peking, 31.1.2019)