Im Sommer 2013 beschloss Österreich den Abzug seiner Soldaten von den Golanhöhen, seitdem operieren die Vereinten Nationen an der Grenze zwischen Israel und Syrien (Bild) ohne österreichische Unterstützung. Israel bedauerte die Entscheidung, die Beziehungen litten darunter letztlich aber nicht besonders.

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Zahlreiche österreichische Politikerinnen und Politiker waren in den vergangenen Jahren in Israel. Somit sollte der am Sonntag beginnende Staatsbesuch des Bundespräsidenten eine harmonische Routineangelegenheit sein, zumal Österreich jetzt die israelfreundlichste Regierung seiner Geschichte hat – wäre da nicht das lästige Detail, dass Israel die Hälfte ebendieser Regierung boykottiert, nämlich deren von der FPÖ gestellte Mitglieder. Das Verhältnis der beiden Länder befindet sich zugleich auf einem Höhe- und Tiefpunkt – und Alexander Van der Bellen wird an dieser bizarren Situation nichts ändern können.

Von vornherein ist nicht zu erwarten, dass Österreichs betont unaufgeregtes Staatsoberhaupt in Israel besonders viel Aufmerksamkeit bekommen wird. Österreich wird in den israelischen Medien zuletzt vor allem dann erwähnt, wenn es einen fußballerischen Berührungspunkt gibt: Der in Israel bekannteste lebende Österreicher ist wahrscheinlich Andreas Herzog, der seit vergangenem Sommer die israelische Fußballnationalmannschaft trainiert und damit wohl mehr für die bilateralen Beziehungen leistet, als jeder Politiker es könnte.

Im Übrigen wird Österreich in Israel fast nur in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit der Nazizeit wahrgenommen. Sehr präsent war Österreich etwa nach der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten im Jahr 1986 und nach der "schwarz-blauen Wende" von 1999/2000. Auch die Bundespräsidentenwahl von 2016 wurde beobachtet – und hätte Norbert Hofer sie gewonnen, dann gäbe es jetzt keinen Staatsbesuch in Israel.

Entrüstung blieb aus

Das Ergebnis der Nationalratswahl 2017 wiederum hat Israels Außenamt zwar in eine gewisse diplomatische Verlegenheit gebracht, die Israelis aber nicht wirklich beschäftigt – kein Vergleich mit der Entrüstung über den Erfolg der Haider-FPÖ fast zwei Jahrzehnte zuvor. Damals berief Israel seinen Botschafter aus Wien ab, der israelische Außenminister wetterte im Parlament gegen den "Aufstieg einer neonazistischen Partei", vor der österreichischen Botschaft in Tel Aviv skandierten Demonstranten "Stoppt den Rassismus", und Österreich war wochenlang in den israelischen Schlagzeilen. Nun hat die FPÖ zwar erneut mehr als ein Viertel der Stimmen bekommen und darf wieder mitregieren, aber Israels offizielle Reaktion beschränkte sich auf ein paar lakonische Sätze. Man werde intern erörtern, "wie Israel sich gegenüber der neuen Regierung verhalten wird", hieß es bloß.

Diese abwartende Haltung konnte Benjamin Netanjahu, zugleich Premier und Außenminister, sich auch deswegen leisten, weil die Medienkommentare gelassen blieben. Beinahe mehr Raum als die kritischen Analysen zur FPÖ bekamen die Porträts des bis dahin fast unbekannten neuen Bundeskanzlers mit dem jungenhaften Gesicht.

Sebastian Kurz, der schon als Außenminister nicht weniger als dreimal in Israel gewesen war, setzte dann bei seinem Besuch im vergangenen Juni neue Maßstäbe. Derart freundliche Worte hatten die Israelis noch nie zuvor von einem österreichischen Spitzenpolitiker gehört. Europa müsse mehr Verständnis für Israels schwierige Sicherheitslage haben, betonte Kurz in jedem Interview und in jeder Ansprache, dafür wolle er sich während Österreichs EU-Ratspräsidentschaft einsetzen.

Schon im ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm waren ja erstaunlicherweise ein "Bekenntnis zu Israel als jüdischem Staat" und eine "besondere Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen Israels" festgeschrieben worden. Und Netanjahu gab beim gemeinsamen Presse-Statement die Umarmung zurück: Israel sei dankbar für vieles, was Kurz schon getan habe, er habe "die Beziehungen der beiden Länder auf ein neues Niveau gehoben".

Schutz Israels als Staatsräson

In einer großen Rede vor dem American Jewish Committee in Jerusalem gebrauchte Kurz dann gar erstmals die Formulierung, der Schutz Israels müsse für Österreich "Staatsräson" sein, und bekam stehende Ovationen. Wozu sollte Netanjahu sich da bewegen? Eine Annäherung an die FPÖ brächte keinen zusätzlichen Vorteil – dafür aber zusätzliche Kritik, wie Netanjahu sie schon für seinen amikalen Umgang mit rechtspopulistischen Europäern wie Viktor Orbán und Matteo Salvini einstecken musste.

Nahostpolitisch gibt es für Van der Bellen auch nicht viel Neues zu besprechen. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Europa und Israel in Bezug auf das Nuklearabkommen mit dem Iran wird dieser Besuch bestimmt nicht überbrücken. Die Israelis werden dem Gast aber zu erklären versuchen, dass vom Aufbau iranischer Militärstellungen in Syrien jetzt akute Gefahr ausgeht.

Dass Van der Bellen zur Wahrung des Gleichgewichts auch einen Abstecher nach Ramallah zu den Palästinensern macht, werden die Israelis ihm nicht weiter übel nehmen, auch wenn Kurz zuletzt darauf verzichtet hat. Israelische Journalisten werden Van der Bellen vielleicht fragen, ob die österreichische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt wird. Im vergangenen Mai hatten die Israelis ja registriert, dass Österreich für die Verlegung der US-Botschaft etwas mehr Verständnis gezeigt hat als andere EU-Länder.

Davon abgesehen wird dieser Besuch wieder die Inkonsequenz der gängigen Jerusalem-Politik vor Augen führen. Einerseits erkennt Österreich wie die meisten Länder der Welt Jerusalem als Hauptstadt Israels nicht an, doch andererseits wird sich der Bundespräsident mit größter Selbstverständlichkeit von seinem Amtskollegen Reuven Rivlin mit Flaggen und Hymnen in Jerusalem empfangen lassen. (Ben Segenreich, 1.2.2019)