Bild nicht mehr verfügbar.

Interimspräsident Guaidó ...

Foto: REUTERS/Carlos Garcia Rawlins

Bild nicht mehr verfügbar.

... und Präsident Nicolás Maduro mit der venezolanischen Verfassung.

Foto: AP/Ariana Cubillos

Musicaldarsteller Rodriguez-Yanez zur Lage in Venezuela.

ORF

Caracas – Flammende Reden und Hinterzimmergespräche, Appelle an den Patriotismus und öffentliche Amnestieangebote: Im Machtkampf in Venezuela legen sich Präsident Nicolás Maduro und sein Herausforderer Juan Guaidó ins Zeug, um die Militärs auf ihre Seite zu ziehen.

Er habe sich bereits heimlich mit Vertretern der Streit- und Sicherheitskräfte getroffen, schrieb Guaidó in einem Gastbeitrag für die "New York Times".

Für einen Regierungswechsel sei es entscheidend, dass das Militär Maduro die Unterstützung entziehe. Die Mehrheit der Diensthabenden sei sich darin einig, dass die Missstände in dem Erdölland unhaltbar seien. "Die Unzufriedenheit der Streitkräfte wird irgendwann vollkommen sein", sagte Guaidó der Online-Ausgabe der spanischen Zeitung "El País". Dies werde dann die Gelegenheit für die Streitkräfte sein, sich auf die Seite der Verfassung zu stellen.

EU-Parlament erkennt Guaidó an

Auf dem diplomatischen Parkett erzielte der selbst ernannte Interimspräsident einen weiteren Erfolg. Das EU-Parlament erkannte ihn am Donnerstag als rechtmäßigen Übergangsstaatschef des südamerikanischen Landes an. Gleichzeitig forderten die Abgeordneten die Regierungen der EU-Staaten auf, dieser Entscheidung zu folgen.

Guaidó lockt die Soldaten mit Straffreiheit, wenn sie ihn unterstützen. "Wir haben all jenen Amnestie angeboten, die sich keiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben", schrieb Guaidó, der eine Neuwahl in Venezuela fordert. Diese könnte "in sechs, neun oder maximal zwölf Monaten" stattfinden, nachdem Maduro die Macht abgegeben habe, sagte er "El País".

"Wenn Teile des Militärs mit ausreichender Feuerkraft mit Maduro brechen, könnten sie ihm die Macht entziehen oder ihn dazu zwingen, über seinen Rücktritt zu verhandeln", schrieb Phil Gunson vom Forschungsinstitut Crisis Group in einer Analyse. "Eine solche Entwicklung könnte Guaidó theoretisch dazu befähigen, die Regierung zu übernehmen und Neuwahlen auszurufen."

"90 Prozent wollen Wechsel"

Der 35 Jahre alte Parlamentschef Guaidó hatte sich am 23. Jänner auf einer Demonstration selbst zum Übergangspräsident ernannt. Die von der Opposition kontrollierte, aber entmachtete Nationalversammlung hatte zuvor ein Amnestiegesetz gebilligt, das Militärs Straffreiheit zusichert, wenn sie sich an der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung beteiligen. Die Gefahr eines Bürgerkriegs in Venezuela sieht Guaidó nicht. "Warum nicht? Weil 90 Prozent der Bevölkerung einen Wechsel wollen", sagte er der spanischen Zeitung.

Bisher halten die Generäle öffentlich noch zu Maduro. Hochrangige Militärs sitzen auf wichtigen Posten in der Erdölwirtschaft, kontrollieren den Import von Lebensmitteln und leiten Banken und Bergbauunternehmen. Zudem sollen einige auch in kriminelle Geschäfte verwickelt sein. Sie haben wenig Interesse an einem Regierungswechsel.

Militärattaché desertierte

Der einzige ranghohe Offizier, der Maduro bisher die Gefolgschaft aufgekündigt und sich Guaidó angeschlossen hat, ist der Militärattaché in Washington, Oberst José Luis Silva Silva. Doch unter den Mannschaften soll es Medienberichten zufolge brodeln. Die einfachen Soldaten profitieren nicht von den Privilegien der Führungsriege und leiden ebenso wie die Zivilbevölkerung unter der katastrophalen Versorgungslage im Land.

Zuletzt gab es mehrere kleinere Aufstände von Soldaten, die allerdings schnell niedergeschlagen wurden. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Control Ciudadano wurden im vergangenen Jahr mindestens 180 Militärs wegen politischer Verbrechen festgenommen.

Maduro auf Truppenbesuch

Angesichts der Abwerbeversuche und des wachsenden Drucks aus Washington schwor Maduro die Soldaten auf die Verteidigung des Landes ein. "Ich rufe die Streitkräfte zu einer großen militärischen Erneuerung auf, um zu garantieren, dass der nordamerikanische Imperialismus niemals einen Fuß auf unser Territorium setzt", sagte er am Mittwoch bei einem Truppenbesuch.

Sollten die Militärs allerdings zu dem Schluss kommen, dass Maduro nicht länger zu halten ist, dürften ihm die flammenden Appelle wenig helfen. "In entscheidenden Momenten haben wir gesehen, dass sich die Militärs an die realen Machtoptionen anpassen. Sie sind eher Pragmatiker als Idealisten", sagte Rocío San Miguel von Control Ciudadano in einem Radiointerview.

Die USA und zahlreiche lateinamerikanische Länder haben Guaidó bereits als legitimen Interimspräsidenten anerkannt. Zudem haben mehrere europäische Staaten Maduro ein Ultimatum gestellt: Ruft er bis zum Sonntag keine freien und fairen Wahlen aus, wollen unter anderem Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien Guaidó als Übergangspräsidenten anerkennen.

Ob sich die EU-Staaten allerdings auf eine gemeinsame Linie in der Frage der Anerkennung Guaidós einigen können, galt bis zuletzt als unklar. Zu dem Thema sollte es am Donnerstagnachmittag noch einmal Gespräche bei einem informellen Außenministertreffen in der rumänischen Hauptstadt Bukarest geben. (red, APA, dpa, 31.1.2019)