Foto: Karlheinz Fessl

Klagenfurt – Es sei vor allem Mitgefühl, was sie für ihre Figuren empfinde, sagt Erfolgsdramatikerin Yasmina Reza. Nun, eine kleine Portion Sadismus ist schon auch dabei. Sonst kann man seine Figuren in der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit nicht so genüsslich hängen lassen, wie die Französin mit sephardisch-iranischer, ungarischer und amerikanischer Wurzelvielfalt es 2015 in ihrem für die Berliner Schaubühne geschriebenen Konversationsstück Bella Figura getan hat.

Beispiel Mittelschicht

Angesagt wären beruflicher Erfolg, eine glückliche Ehe und finanzielle Sorglosigkeit. Stattdessen kämpfen alle mit Seitensprüngen, Drogenproblemen und finanziellem Zusammenbruch. Gesellschaftlich führt das der Neoliberalismus am Beispiel der Mittelschicht auf, die Spiegelung im Drama besorgt am Stadttheater Klagenfurt jetzt Martin Kušejs ehemaliger Assistent Robert Gerloff. Voller Mitgefühl, und mit einem Schuss Sadismus.

Da ist Eric, juristischer Troubleshooter eines Konzerns und krampfhafter Optimist. Er wirft sich in sein grellstes Hawaiihemd und lädt seine verkalkte Mutter Yvonne zum Geburtstagsessen in ein sündteures Restaurant, das mit Gauguin-Zitaten auf Südsee-Flair macht. Mit von der Partie ist Françoise, mit der zusammen Eric eine hochkomplexe Patchwork familie schaukelt.

Kein Stundenhotel

Und dann das: In genau dasselbe Restaurant führt der vor dem Konkurs stehende Glasereibesitzer Boris seine heimliche Geliebte Andrea zum Essen aus, um nach vierjähriger Beziehungsdauer einmal nicht gleich das Stundenhotel Goldenes Lamm anzusteuern. Nur ist blöderweise Erics Françoise die beste Freundin seiner Ehefrau. Die Sache wird auf allen Ebenen verwickelt, und auf der Dachterrasse drehen schließlich alle durch.

Hier versagt sogar die Heilkraft der Katastrophe. Alle können gar nicht anders, als schlechte Figur zu machen, und was einen auch als Zaungast dieser existenziellen Verrenkungsorgie zum Lachen bringt, ist wahrscheinlich der Wiedererkennungseffekt.

Präzise Umsetzung

In seiner präzisen Umsetzung kann Gerloff zu Recht darauf setzen, dass nicht nur die schnippischen Dialoge, sondern auch die Stockungen des Textes, die Schweigesekunden allgemeiner Betretenheit ihre Wirkung entfalten. Einfach sehenswert, wie die Marthaler-bewährte Katja Kolm jede Kränkung heimzahlt, die sie einstecken muss.

Oliver Möllers Dauereinsatz, alle bei Laune zu halten, ist von köstlicher Bemühtheit. Gertrud Roll schützt ihre Gedächtnislücken prächtig vor, um alles so wahrzunehmen, wie es nie war. Der Boris von Glenn Goltz muss studiert haben, um wie viel es zu viel ist, zwei Beziehungen zu organisieren und einen Konkurs.

Den jazzigen Groove steuert eine Restaurantband mit Fabian Mang, Stefan Delorenzo und Philipp Bindreiter bei. (Michael Cerha, 31.1.2019)