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Während andere ganz selbstverständlich von ihrem Wochenende mit ihrem Mann oder ihrer Frau berichten, müssten LGBTs immer überlegen, welche Version der Geschichte sie erzählen wollen, sagt Astrid Weinwurm-Wilhelm, Präsidentin der Queer Business Women.

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Während die Gesellschaft langsam toleranter wird, bleiben Homo-, Bi- oder Transsexualität in Unternehmen ein Tabu. Das zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group, für die mehr als 4000 sogenannte LGBTs (siehe Glossar) befragt wurden. Sie leben in 19 verschiedenen Ländern, etwa in Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Mexiko, den Niederlanden, Spanien und den USA – und auch in Deutschland. Dort outet sich nur rund jeder Dritte (37 Prozent) gegenüber Kollegen und Vorgesetzten, wie die Untersuchung darlegt. Unser Nachbarland bildet damit im internationalen Vergleich das Schlusslicht.

Österreich kommt in der Studie nicht vor, 2017 ließ die Arbeiterkammer aber eine ähnliche Befragung durchführen. Rund 1300 lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intersexuelle Personen nahmen teil. Das Ergebnis: Nicht einmal jeder oder jede Vierte (23 Prozent) spricht in der Arbeit bewusst über seine oder ihre sexuelle Orientierung. Immerhin 59 Prozent reden aber auf Nachfrage offen darüber. Die anderen 18 Prozent schweigen oder schwindeln.

Was es im Arbeitsalltag bedeuten kann, ständig abwägen zu müssen, was man preisgibt, erklärt Astrid Weinwurm-Wilhelm, Präsidentin der Queer Business Women, "nämlich einen ständigen Stress". Während andere ganz selbstverständlich von ihrem Wochenende mit ihrem Mann oder ihrer Frau berichten, müssten LGBTs immer überlegen, welche Version der Geschichte sie erzählen wollen.

Smalltalk als sozialer Kitt

Weinwurm-Wilhelm, die in einer lesbischen Beziehung lebt, war selbst nicht von Beginn an offen. "Ich habe dieses Versteckspielen lange mitgemacht. Erst in meinem zweiten Job habe ich beim Bewerbungsgespräch gesagt, wie es wirklich ist."

Wie die BCG-Studie zeigt, wären 85 Prozent der deutschen Befragten theoretisch bereit, sich zu outen. Mehr als jede oder jeder Dritte ist auch überzeugt, dass das ihr oder sein Leben einfacher machen würde. "Viele haben aber viel zu viel Angst vor Konsequenzen", sagt Weinwurm-Wilhelm. Circa jede oder jeder Fünfte zeigt sich in der BCG-Umfrage besorgt, dass ein offenes Bekenntnis zu ihrer oder seiner Sexualität ein Karriererisiko bedeuten könnte.

Wiederum könne es jedoch auch schaden, nichts Persönliches preiszugeben. "Smalltalk dient als eine Art sozialer Klebstoff. Wir brauchen ihn, um einander kennenzulernen. Da geht es oft nur um ein paar Sätze, die man austauscht und in denen es nicht ums Wetter geht." Wer nicht mitmacht, laufe Gefahr, vom Radar zu verschwinden und bei wichtigen Projekten und Beförderungen vergessen zu werden.

Offenes Umfeld schaffen

Außerdem ein Problem: Permanent überlegen zu müssen, was man wem erzählt, kostet Energie, die bei der Arbeit fehlt. "Das kann nicht im Sinne des Arbeitgebers sein", sagt Weinwurm-Wilhelm. Unternehmen seien nicht zuletzt deshalb gut beraten, ein offenes Umfeld zu schaffen.

Dass sich das auszahlt, zeigt die Studie. Die befragten Arbeitnehmer sagen, sie sehen sich bewusst nach einem "LGBT-freundlichen" Arbeitsplatz um. Dazu zählt, dass die Unternehmen eine Antidiskriminierungsrichtlinie verfolgen. Andererseits, dass jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht in Ländern arbeiten müssen, in denen Homosexualität strafrechtlich verfolgt wird. Auch ein lebendiges LGBT-Netzwerk sei wichtig.

"Es geht um ganz alltägliche Dinge", sagt Weinwurm-Wilhelm, die Organisationen bei der Umsetzung von Diversity-Management berät. Sie bringt als Beispiel das Dienstfahrzeug: "Wenn ich als Mitarbeiterin eines bekomme, muss ich einen Vertrag unterschreiben, in dem bisher oft stand, dass nur ich und mein 'Ehepartner' oder meine 'Ehepartnerin' damit fahren dürfen. Was aber, wenn ich in einer Lebensgemeinschaft bin?"

Zeige sich ein Arbeitgeber offen gegenüber allen Arten des Zusammenlebens, auch im Arbeitsalltag, könne das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ermutigen, zu ihrer Beziehungsform zu stehen. (Lisa Breit, 1.2.2019)