Ein Gruppenfoto der Landeshauptleute zeigt: Männer sind auch in Österreichs Politik stark überrepräsentiert.

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Wien/Barcelona – In der Politik gibt es einen großen Überschuss an Männern, vor allem in höheren Positionen. Das zeigen spanische Forscher in einer Analyse der Regionalpolitik zwischen 1990 und 2016 in vier EU-Staaten, unter anderem Österreich.

Auch wenn in westeuropäischen Staaten mit Angela Merkel und Theresa May derzeit zwei Frauen in der Spitzenposition sind, sind weltweit nur sehr wenige Frauen Präsidentinnen, Premierministerinnen oder Kanzlerinnen. Im Dezember 2017 lenkten nur 13 Frauen die Geschicke ihrer Länder, im Schnitt waren es seit 1990 immerhin rund 20, heißt es in einer Aussendung der Universität Pompeu Fabra (UPF) in Barcelona.

Je höher die Machtebene, desto weniger Frauen finden sich hier. Das zeigt sich auch in Österreich: Während in Österreichs Landtagen der Anteil weiblicher Abgeordneter und jener der Landesrätinnen im Untersuchungszeitraum um die 27 Prozent betrug, lag dieser bei den Parteivorsitzenden bei nur noch zwölf Prozent. Von den Spitzenkandidaten bei Landtagswahlen und Landeshauptleuten waren jeweils rund elf Prozent Frauen. In den Regionalparlamenten Deutschlands und Spaniens verzeichnete man im Untersuchungszeitraum mit etwas über 30 und fast 34 Prozent einen leicht höheren Frauenanteil.

Keine größere Erfahrung

Dabei zeigte sich, dass der große Männeranteil nicht auf deren größere Erfahrung zurückzuführen war. Die Chancen für Frauen auf eine Spitzenkandidatur waren außerdem dann höher, wenn die Aussichten der Partei auf einen Wahlsieg geringer waren. Möglicherweise würden eher Frauen als "Opferlämmer" in nicht sehr erfolgsversprechende Rennen geschickt, erklärte einer der Studienautoren, Javier Astudillo. Darüber hinaus sei denkbar, dass sich aussichtsreichere Kandidaten in einer solchen Situation eher nicht um eine Spitzenkandidatur bemühen, und das seien in der Regel Männer, so der Politikwissenschafter.

Um sich als Frau wiederum an der Spitze von Parteien zu etablieren, mussten diese ihre Kontrahenten klar distanzieren und sich sozusagen als "unumstrittene Leader" präsentieren, schreiben die Wissenschafter. Verluste bei Wahlen wurden Frauen an der Spitze umgekehrt öfters zum Verhängnis als ihren männlichen Kollegen.

Betreuungsarbeit behindert politische Karriere

Als amtierende Landeshauptfrau bzw. deren Pendants in den Regionen anderer Länder oder Parteichefin scheitert man laut der Analyse bei einer angestrebten Wiederwahl eher, als wenn ein Mann eine zusätzliche Amtszeit anstrebt. Unterschiede zeigen sich auch bei der Kinderzahl: Immerhin ein Viertel der Frauen, die zum erstem Mal kandidierten, waren kinderlos, unter den wiedergewählten Frauen traf das auf fast 37 Prozent zu. Zum Vergleich: Nur sieben Prozent der männlichen Kandidaten hatten keine Kinder.

Die Analyse verglich Deutschland, Spanien und das Vereinigte Königreich. Sie wurde im "European Journal of Political Research" veröffentlicht. Tània Verge und Javier Astudillo vom Department für Politik- und Sozialwissenschaften der UPF setzten sich in ihrer Studie mit den Prozessen dahinter auseinander, indem sie Datenbanken über Spitzenkandidaten und Parteichefs auf regionaler Ebene analysierten. In Österreich gingen hier Informationen aus den neun Bundesländern ein, in Deutschland wurden ebenso alle 16 Länder berücksichtigt, dazu kamen 17 spanische und drei Regionen des Vereinigten Königreichs.

Das Augenmerk der Wissenschafter lag auf der erstmaligen Wahl und etwaigen Wiederwahlen von Kandidaten, berücksichtigt wurden konservative und sozialdemokratische Parteien, die möglichst überall in den Regionalparlamenten vertreten sind. In Österreich waren das die SPÖ und die ÖVP. Unter den insgesamt 336 Regional-Kandidaten, die die Forscher identifizierten, waren nur 49 Frauen.

Frauen stärken Frauen

Die ideologische Ausrichtung von Parteien oder die Methode der Abstimmung hatte hingegen keinen Einfluss auf den Erfolg von Frauen. Wenig überraschend der Befund, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Frau zur Spitzenkandidatin zu machen, ansteigt, wenn auch mehr Frauen die Organisationsstrukturen und regionalen Parlamentsklubs von Parteien prägen. Ebenso stieg die Chance, wenn eine Partei bereits früher Landeschefinnen oder viele weibliche Parlamentarierinnen stellte, so die Forscher. (red, APA, 1.2.2019)