Da die Ich-Form im Journalismus wieder angesagt ist, jedenfalls leidlich geduldet wird, sage ICH es gleich: Da werden sich einige ärgern über das Auto, das werden einige nicht angebracht, wahrscheinlich sogar unmöglich finden. Also: Es geht um vierhundertfünfunddreißig PS. Und noch einmal 22 drauf. Dass Letztere elektrisch sind, wird jenen die Sache nicht erfreulicher machen, die sich fragen: Braucht es das wirklich? Muss das sein?

Die dezente Linie eines Coupés: Der Mercedes-AMG CLS hat sich selbst gezähmt, da wird man emotional nicht sehr gefordert, die Perfektion und Präzision des Wagens erschlägt einen.
Foto: Guido Gluschitsch

An dieser Stelle können wir ein paar Leser und Leserinnen schon verabschieden. Sie werden uns empört den Rücken zuwenden. Und man kann es ihnen nicht verübeln. Braucht es das? Nein. Muss das sein? Nein. Und es ist nicht einmal ein Sportwagen, sondern eine aufgepimpte, als Coupé getarnte Limousine, in der sich die Mitfahrer schön bedanken würden, wenn man die Reize der 435 PS tatsächlich ausspielen würde. Aber es verkauft sich, und es gibt eine Nachfrage, sonst würde Mercedes dieses Auto nicht bauen und in die Auslage stellen.

Zwischen Coupé und Limousine.
Foto: Guido Gluschitsch

Sollten Sie jetzt zur Fraktion Nachfrage gehören, vielleicht noch ein kleiner Hinweis: ab 120.000 Euro. Mit ein paar Extras, die man eigentlich nicht missen möchte, so um die 150.000 Euro.

Ab 116.500 Euro startet der AMG CLS.
Foto: Guido Gluschitsch

Also: Mercedes-AMG CLS 53. Ein Geschoß, das man unabhängig von seiner äußeren Erscheinungsweise, die es zweifellos auf Gefälligkeit anlegt, unappetitlich finden kann. Weil so schnell wird man nie fahren können, wie es der Wagen könnte. Aber wie so oft geht es ums Haben und um den Konjunktiv des Tuns, nicht um die praktische Anwendung und Umsetzung. Als letzte Rechtfertigung sei hier noch angefügt, dass es sich bei diesem Boliden zweifellos auch um einen Technologieträger handelt, mit dem ausprobiert wird, was geht, wie es geht und was gehen könnte.

Das Cockpit des starken CLS.
Foto: Guido Gluschitsch

Der CLS ist mit dem neuen Reihensechszylinder von AMG ausgestattet. Also kein Achtzylinder. Der Output des Drei-Liter-Turbobenziners wird mit Elektrounterstützung erhöht: Die erwähnten zusätzlichen 22 PS treiben die mögliche Gesamtleistung bis zu 457 PS hinauf. Dazu hilft ein elektrischer Zusatzverdichter, den Ladedruck schnell aufzubauen, es gibt so etwas von überhaupt kein Turboloch. Kein nichts.

Im AMG arbeitet ein Drei-Liter-Turbobenziner.
Foto: Guido Gluschitsch

Was man alles nicht oder kaum spürt: Der integrierte Startergenerator speist noch einmal 250 Newtonmeter Drehmoment ein und beherrscht Hybridfunktionen wie Rekuperation, Lastpunktverschiebung und das spritsparende Segeln, wenn kein Vortrieb nötig ist. Zudem versorgt der Booster das 48-Volt-Bordnetz und ersetzt Anlasser und Lichtmaschine.

Ein Blick auf die Bedienelemente am Lenkrad.
Foto: Guido Gluschitsch

Das muss man nicht nur toll finden. Das Auto ist so etwas von perfekt, dass man es kaum noch spürt. Und es ist so schnell und gewaltig, aber man muss dem Hammer richtig nachspüren, er saust nicht auf einen herab. Da ist alles sehr sauber und vibrationsfrei, da schreit und brüllt nichts, da ist nichts brachial. Im Gegenteil: sehr vornehm, sehr zurückhaltend. Die Beschleunigung ist so gleichmäßig, dass man den Tacho im Blick haben muss, um sie zu begreifen.

Das Heck des CLS.
Foto: Guido Gluschitsch

Apropos Tacho: In das Breitbild-Cockpit kann man sich regelrecht vertiefen, am besten nicht während der Fahrt. Die Informationsflut ist kaum zu verarbeiten, und die Gestaltungsmöglichkeiten des Displays sind verwirrend vielfältig. Die Armaturen lassen sich individuell einrichten, da kann man Informationen abrufen, von denen man bisher keine Ahnung hatte, dass sie überhaupt verfügbar sind. Was soll ich sagen? Bei allem Spaß und Staunen: Mich hat dieses Auto überfordert. (Michael Völker, 7.2.2019)

Foto: Guido Gluschitsch