Mithilfe synthetischer Moleküle können Metastasen eines Prostatakarzinoms (im Bild) gezielter aufgespürt und operiert werden.

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Rund 5000 Männer erkranken in Österreich jedes Jahr an Prostatakrebs. Von den über 60.000 Österreichern mit einer solchen Krebsdiagnose sterben jährlich mehr als 1000.

Die Ursachen für das Entstehen dieses Tumors sind zwar noch nicht völlig geklärt, doch in der Diagnose und Behandlung von Prostatakrebs wurden in den letzten Jahren beachtliche Fortschritte gemacht. Bereits in den 1970er-Jahren haben Forscher das Prostata-spezifische Antigen (PSA) entdeckt, das von Karzinomzellen zehnmal häufiger gebildet wird als von normalen Prostatazellen. PSA eignet sich deshalb sehr gut als Tumormarker, weshalb die PSA-Messung heute ein diagnostisches Standardverfahren ist.

PSMA als wichtiger Marker

Seit einigen Jahren kennt man auch das Prostata-spezifische Membran-Antigen (PSMA), das in großen Mengen an der Oberfläche von Prostatakrebszellen vorkommt. Je mehr von diesem Eiweißmolekül auf der Oberfläche der Krebszellen vorhanden ist, desto aggressiver ist das Prostatakarzinom. PSMA spielt mittlerweile eine wichtige Rolle bei der Diagnose von Prostatatumoren. "Wenn nach einer Krebsoperation die PSA-Werte wieder ansteigen, kann man PSMA-11 spritzen, um eventuelle Krebszellen oder Metastasen zu lokalisieren", erklärt der Nuklearmediziner Helmut Sinzinger von der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien.

PSMA-11 ist eine künstlich hergestellte chemische Verbindung, die sich an das PSMA auf den Prostatakrebszellen anheften kann. Sie ist mit einer radioaktiven Substanz (Gallium-68) gekoppelt und kann dadurch das PSMA markieren. Injiziert man also diese Verbindung in die Blutbahn eines Patienten, bleibt es an den Krebszellen haften und der Arzt kann durch die radioaktive Markierung auf Bildern erkennen, ob und wo sich im Körper Prostatakrebszellen befinden. "Mit der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) können wir dank der Markierung selbst kleinste Herde von Prostatakrebszellen erkennen", so Helmut Sinzinger. Zur Früherkennung ist das nuklearmedizinische PSMA-Verfahren allerdings nicht geeignet.

Radioaktive Zielscheibe

Mit der ersten sondengesteuerten Prostatakrebs-Operation in Österreich ist man nun einen weiteren großen Schritt in der Behandlung dieser verbreiteten Krebsart vorangekommen. "Wir hatten einen Patienten, dessen PSA-Wert nach einer Prostatakrebs-Operation wieder angestiegen war", berichtet der renommierte Nuklearmediziner. "Mittels PET konnten wir tatsächlich einen einzelnen sehr kleinen metastatischen Lymphknoten erkennen." Allerdings nur auf den Bildern, welche die PET lieferte. Um auch während der Operation exakt den richtigen Punkt anzusteuern und den Eingriff möglichst gezielt durchführen zu können, hat sich der Operateur Christian Kratzik, Dekan der Medizinischen Fakultät der SFU, von einer Sonde lenken lassen.

Zu diesem Zweck bekam der Patient zuvor mit dem Radionuklid Technetium gekoppeltes PSMA injiziert. "Auf diese Weise wurde der Kollege durch Piepsignale der Gammasonde, die radioaktive Strahlung aufspürt, auf direktem Weg zu den Krebszellen geführt." Ohne dieses Bündel an Methoden hätte man die winzige Metastase dieses Patienten wahrscheinlich weder diagnostizieren noch operieren können.

"Was die Operation so sensationell macht, war die äußerst schwierige und ungewöhnliche Lage der nur ein paar Millimeter großen Metastase", erläutert Helmut Sinzinger. "Sie befand sich nämlich hinter dem Steißbein, wo man üblicherweise nicht operiert." Und wie geht es dem Patienten jetzt? "Die Metastase ist vollständig entfernt, der Patient hat nun auch nach sechs Monaten noch einen PSA-Wert von null", sagt der Mediziner. Ein Durchbruch, der natürlich bei vielen Betroffenen Hoffnungen schürt. "Allerdings", gibt der Sinzinger zu bedenken, "ist sie nur in einem frühen Stadium der Metastasierung sinnvoll." Insbesondere bei einem erneuten PSA-Anstieg nach einer Prostatakrebsoperation oder -bestrahlung kann das neue Verfahren ansonsten leicht zu übersehende Tumoren an der bereits behandelten Stelle oder auch Metastasen aufspüren. Zum medizinischen Standard gehört die Methode jedoch noch längst nicht.

Hilfe bei aggressiven Tumoren

"Bisher gibt es erst wenige Länder, in denen diese sondengesteuerte Operation bei Prostatakrebs eingesetzt wird." Eines davon ist Italien, wo sie Sinzinger erst vor kurzem in seiner Funktion als Gastprofessor in Perugia eingeführt hat. Um das Wachsen von Metastasen nach einer Prostataoperation frühzeitig zu erkennen, empfiehlt der Mediziner jedenfalls eine PSMA-Untersuchung, sobald der PSA-Wert wieder ansteigt. "Besonders bösartige Tumoren neigen dazu, auch nach der Operation wieder Metastasen zu bilden", betont Sinzinger. Und sie sind leider gar nicht so selten: Rund zehn Prozent aller Prostatakrebspatienten haben solche aggressiven Tumoren.

Neben seiner wichtigen Funktion bei der Diagnose von Prostatakrebs und als Navigationshilfe während der Operation kann das künstliche PSMA-Molekül aus dem Labor auch selbst zur tödlichen Waffe gegen den Krebs werden. Und zwar dann, wenn es mit der radioaktiven Substanz Lutetium-177 gekoppelt wird. Dieser neue Wirkstoff gegen Prostatakrebszellen wurde am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg entwickelt und gelangt direkt ins Innere der Krebszelle. Gesunde Zellen soll die radioaktive Strahlung dagegen weitgehend verschonen. Für Prostatakrebs zugelassen ist diese neue Behandlung allerdings noch nicht, da mögliche Nebenwirkungen noch nicht ausreichend untersucht sind. (Doris Griesser, 2.2.20149)