Im April wurde Michael Rami auf Vorschlag der FPÖ als Verfassungsrichter angelobt. Der Job beim Höchstgericht nimmt nun circa die Hälfte seiner Arbeitszeit ein, erzählt er.

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Rami und seine prominenten Klienten: Jörg Haider (2000) ...

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... Hans Dichand (2004) ...

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... Karl-Heinz Grasser (2011) ...

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... und Heinz-Christian Strache, im Gespräch mit Maria Windhager (2019).

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Zwei- bis dreimal die Woche wäscht Michael Rami seine Seele rein, indem er zuschlägt. Dann legt der Anwalt, der gut 20 Jahre lang die rechte Reichshälfte verteidigte, seinen Zahnschutz an, stülpt die Handschuhe über und steigt in den Ring. "Was ich mache, ist nicht so Managerboxen", sagt er mit seiner warmen, weichen Stimme und lächelt verschmitzt. "Ich mache das schon richtig, mit Gegner."

Der Sport, erzählt er, fühle sich für ihn an wie eine Katharsis: "Während eines Kampfes frage ich mich, was ich hier eigentlich mache. Danach ist es mir klar. Ich verlasse das Studio als verwandelter Mensch."

Mit blauem Auge vor Gericht

Vor zwei Jahren sei er eine Zeitlang mit einem ordentlich blauen Auge im Gerichtssaal gesessen. Seinen Ehering trägt er links, weil ihm der vierte Finger rechts bei einem Ringkampf fast ausgerissen wurde. Wehgetan habe das eigentlich nicht, sagt Rami, aber es wurde ihm danach bei der Operation eine Metallplatte eingesetzt. So passe das Schmuckstück dort nicht.

Michael Rami – groß, schlank, schwarzer Anzug, Hornbrille – ist einer besten und angesehensten Medienanwälte des Landes. Er hat bereits Jörg Haider und Susanne Riess-Passer vertreten. Karl-Heinz Grasser und seine Frau Fiona Swarovski verdanken seinem Verhandlungsgeschick jeweils 5.000 Euro von der deutschen Bild-Zeitung. Das Boulevardblatt hatte 2006 ein heimlich aufgenommenes Foto, das die beiden auf ihrer privaten Terrasse in Capri zeigt, mit der Unterzeile garniert: "Hier sucht die Kristall-Erbin die Kronjuwelen beim Finanzminister." Geht gar nicht. Auch bei Bild nicht.

Haus-und-Hof-Jurist der FPÖ

Der Wiener – mit Vorfahren aus Italien, von denen der Name stammt – hat auch den rechten Burschenschafter Martin Graf juristisch betreut, für FPÖ- und dann BZÖ-Politiker Peter Westenthaler mehrere Verhandlungen gewonnen und Lobbyist Walter Meischberger verteidigt. Dutzende Male schon führte Rami Verfahren gegen den STANDARD – mal erfolgreich, oft auch nicht. Er war stets einer der Haus-und-Hof-Juristen der FPÖ. Bis Mittwoch.

Denn neuerdings ist Rechtsanwalt eigentlich nur noch sein Nebenjob. Auf Vorschlag der Freiheitlichen wurde der 50-Jährige im April des Vorjahres als Verfassungsrichter angelobt. Während des Zeremoniells, erzählt Rami, habe er daran denken müssen, wie er vor 30 Jahren mit Büchern unter dem Arm aus der Donaustadt zum Juridicum gependelt ist. "Ich hätte mir damals nie erträumt, so weit zu kommen."

Seine blauen Mandanten gibt er nun dennoch nicht ganz freiwillig auf. Im Jänner führte er zwei Prozesse für Vizekanzler Heinz-Christian Strache und einen für Innenminister Herbert Kickl, danach wurde der Druck zu groß: Als Anwalt Regierungsmitglieder einer politischen Partei zu vertreten und gleichzeitig als Verfassungsrichter objektiv über deren Gesetze zu urteilen – das sei völlig unvereinbar, blaffte die Opposition. Schlussendlich sollen auch Kollegen im Höchstgericht mit Bedenken auf ihn zugekommen sein.

Politische Schlagseite

Rami sagt, er verstehe, dass die Optik etwas schief war. Fortan will er keine Spitzenpolitiker mehr vertreten – gleichgültig welcher Partei, wie er betont.

In Wahrheit hat er freilich seit Beginn seiner Karriere eine politische Schlagseite. Seine erste Anstellung als Anwalt nahm Rami in der Kanzlei Böhmdorfer-Gheneff an. Dieter Böhmdorfer wurde unter Schwarz-Blau I Justizminister für die FPÖ. Huberta Gheneff, die ebenfalls gute Beziehungen ins freiheitliche Lager pflegt, ist bis heute seine Kanzleipartnerin.

Die beiden lernten einander kennen, als Rami frisch nach dem Studium in der Rechtsabteilung einer Versicherung jobbte. Gheneff war Anwältin des Hauses. "Es war alles Zufall, wie es geschehen ist, und hatte überhaupt keine politische Komponente", sagt Rami, der beteuert: "Natürlich hätte ich genauso die Grünen vertreten."

Fast wäre es dazu gekommen. Als publik wurde, dass die grüne Ex-Abgeordnete Sigi Maurer von einem Bierladenbesitzer verklagt wird, weil sie obszöne Nachrichten, die sie von seinem Facebook-Account erhielt, veröffentlicht hatte, bot ihr Rami seinen Rechtsbeistand an. Ohne Honorar. Doch Maurer entschied sich für Maria Windhager – seine von ihm hochgeschätzte Erzfeindin.

"Beruflich kann er auch erbarmungslos sein"

Rami und Windhager sind quasi das Gegensatzpaar der Medienrechtsszene. Verknappt könnte man sagen: Rami verteidigt alles rechts der Mitte sowie Kronen Zeitung und Heute, Windhager die andere Seite – und auch den STANDARD. Weit über 200 Mal sind die beiden einander im Gerichtssaal gegenübergestanden. In all diesen Prozessen, die oft bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte getragen wurden, haben sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Grenzen der Meinungsfreiheit in Österreich ausgelotet. Windhager bezeichnet Rami als brillanten Juristen. "Er formuliert auf den Punkt. Beruflich kann er aber auch erbarmungslos sein."

Man würde es Rami kaum zutrauen, wenn man ihm in seinem modernen Büro in einem Wiener Innenstadtaltbau gegenübersitzt. Da erzählt er dann, dass er sein Honorar abhängig von den finanziellen Möglichkeiten des Klienten staffelt oder davon, wie er der Lebensgefährtin eines Bankräubers, die vom Gratisblatt Österreich unschön in den Fall hineingezogen worden war, zu ihrem Recht verhalf. Ob er ein Rechter sei? Er habe kein Parteibuch und sei auch kein Burschenschafter oder bei sonst irgendeinem Verein, versichert Rami. Gerne sagt er auch: "Ich bin ja keine Weltanschauungspolizei." Darüber, dass ihn die FPÖ zum Verfassungsrichter gemacht hat, sei er selbst überrascht gewesen. Freiheitliche erzählen: Rami teile wohl nicht vollinhaltlich die blaue Ideologie, habe aber einen guten Draht zum Chef, also Strache.

Zehn Runden Vollkontakt

Die Debatte über Unvereinbarkeiten am Höchstgericht ist aber noch nicht vorbei. In Deutschland unterliegen Verfassungsrichter einem Berufsverbot. Die Neos haben im Parlament nun einen Antrag eingebracht, in dem sie eine ähnliche Regelung für Österreich fordern. Derzeit müssen Höchstrichter ihre Nebentätigkeiten bloß melden. Rami hält nichts von Verschärfungen: "Das derzeitige System hat sich in der Praxis bewährt", sagt er. Mögliche Unvereinbarkeiten könnten "vereinzelt immer auftauchen", das habe man "im Griff".

Ausgerechnet in dem letzten Prozess, in dem er Strache beistand, hatte Windhager einen Trumpf gegen ihn in der Tasche. Der Vizekanzler war gegen den PR-Berater Rudolf Fußi vorgegangen, weil dieser ein Foto geteilt hatte, auf dem Strache mit Mitgliedern der Identitären Bewegung zu sehen ist. Er behauptete, sein Gesicht sei hineinmontiert worden. Doch Windhager fand auf Facebook Bilder desselben Abends – einige davon hatte Strache selbst gepostet. Nun hat dieser erst den Anwalt gewechselt und dann die Klage zurückgezogen (siehe Seite 10).

Ein bisschen seien Verhandlungen wie Boxen, sagt Rami. Man müsse sich eine Strategie überlegen, seine Stärken und Schwächen kennen. Im Ring dauere eine Runde "Vollkontaktkampf" drei Minuten. Davon schaffe er dann zwischen sieben und zehn. (Katharina Mittelstaedt, 2.2.2019)