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Helme auf für das Ringen um die Vince Lombardi Trophy im 53. Super Bowl: Die New England Patriots (links) spielen ihren elften Super Bowl, die Los Angeles Rams ihren vierten.

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Patriots-Quarterback Brady (41) spielt um seinen sechsten Titel.

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Rams-Quarterback Goff (24) spielt um seinen ersten Titel.

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Jetzt stehen sie schon wieder im Super Bowl. Ja, das stand auch schon vor fast genau einem Jahr geschrieben. Aber so ist das Leben in der National Football League (NFL), so ist das Leben mit den New England Patriots. 31 andere Teams wären froh, wenn in der Nacht auf Montag (0.30 Uhr, Puls 4 und ProSieben) im Mercedes-Benz Stadium in Atlanta die Ära endete, die Headcoach Bill Belichick und Quarterback Tom Brady 2001 im Super Bowl gegen die St. Louis Rams begründeten. Die Rams sind inzwischen nach Los Angeles umgezogen, hatten acht Headcoaches und 21 Quarterbacks. Nun fordern sie, richtig, Belichick und Brady.

Dieses Tandem steht wie kein anderes für dauerhaften Erfolg in einer Liga, die dafür nicht gebaut ist. Blickt man dagegen auf die Entwicklung der Rams seit ihrer 17:20-Niederlage 2001, sieht man den großen Rest der NFL. Und versteht, warum den Patriots derart viel Neid entgegenschlägt.

Die unglaubliche Bilanz

Der von Foxborough ausgehende Teil der Geschichte um Belichick und Brady: fünf Siege in neun Super Bowls seit 2001. Nur 2008, als Brady verletzt ausfiel, verpassten die Patriots die Playoffs. Die Rams durften noch 2003 und 2004 in der Postseason mitspielen, dann war bis zum Vorjahr nach dem Grunddurchgang stets Schluss. Dabei spielten Pech, schlechtes Coaching und Management gewichtige Rollen – die harte Wahrheit für die Masse der NFL ist aber so oder so, weshalb Teilnahmen am Playoff die Ausnahmen sind.

Nur zwölf von 32 Teams schaffen es in die Postseason. Eines davon sind die Patriots, bleiben also elf Plätze für 31. Systeme wie der Draft und die Gehaltsobergrenze sollen mittelfristig Balance garantieren, trotzdem wartet ein Viertel der Liga seit drei oder mehr Jahren auf ein Playoffspiel. Eine Aufstockung von sechs auf acht Teilnehmer pro Conference wird immer wieder diskutiert, das aktuelle System ist aber kaum antastbar – derzeit ist ein Playoff-Spiel wirklich etwas Besonderes, die Kehrseite der Medaille sind lange Durststrecken.

Quarterback-Faktor

Wer in die Playoffs will, braucht vor allem einen Elite-Quarterback. Von einem Erfolgsgaranten kann man zwar nicht sprechen – dafür ist der Sport zu vielschichtig -, ein fehlerhafter Spielmacher ist aber ein Misserfolgsgarant. Wenn Football-Neulinge einen der Quarterbacks aus dem hinteren Ligadrittel spielen sehen, fragen sie oft: "Gibt's da keinen besseren?" Die Antwort lautet nein – keinen, der nicht schon woanders spielt. Außer Rebell Colin Kaepernick vielleicht, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Die Aufgaben des Passverteilers, Defenseblitzanalytikers und Spielzugumstellers sind so schwierig, dass sie nur etwa zehn bis 15 Mann auf der Welt auf höchstem Niveau ausführen können. Blick nach Foxborough: Tom Brady. Routine, Zahnpastawerbegrinser, Leader. Er kann' s. Ja, der 41-Jährige war auch schon besser. Aber: "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da" war auch nicht Falcos bestes Werk – ist aber doch immer noch ziemlich super.

Die Rams bauten nach 2001 acht Jahre auf Marc Bulger als Quarterback. Der war zu schlecht, um erfolgreich zu sein, und lange Zeit zu gut, um eine große Investition in seinen Nachfolger zu rechtfertigen. Nach drei Katastrophensaisonen mit insgesamt sechs Siegen war Schluss, die Rams hatten den ersten Pick im Draft 2010 und schenkten ihr Vertrauen Sam Bradford. Der spielte eine tolle Rookiesaison – und verlor drei der nächsten vier Jahre wegen Verletzungen. Auch das ist die Realität des Verletzungssports Football: Der Quarterback muss nicht nur gut sein, er muss auch fit bleiben. Außer der Ersatzmann heißt Tom Brady, aber das ist eine andere Geschichte. Konkret der Anfang von dieser, Brady kam anno 2001 erst durch eine Verletzung von Drew Bledsoe zu Starterehren.

Nach Bradford versuchten es die Rams mit einigen Wandervögeln, ehe Jared Goff sich als Dauerlösung etablierte. An dem 24-Jährigen sieht man, dass Quarterbacks nicht im Vakuum spielen. Als Rookie galt Goff als Fehlgriff. Damals war er an Headcoach Jeff Fisher gebunden, dessen Offense war so aufregend wie ungesalzene Nudeln. Dann kamen Sean McVay und seine Wunderoffense. Unter dem neuen Cheftrainer hatte Goff im Grunddurchgang das achtbeste Quarterback-Rating der Liga, vier Plätze vor Brady. Er ist kein Überdrüberspielmacher, aber gut genug, um im passenden System zu funktionieren. Die Rams haben zweierlei Dinge geschafft, an denen sie selbst wie so viele andere Franchises jahrelang gescheitert sind: einen Quarterback zu finden und sich mit einem innovativen Spielsystem einen Vorteil zu verschaffen. Der 32-jährige McVay gilt als genialster Offensiventwickler seit langem, der Super-Bowl-Einzug gehört zu großen Teilen ihm. Dabei musste er nichts neu erfinden. McVay kombinierte, verfeinerte, streute neue Kleinigkeiten ein, stimmt seine Spielzugauswahl perfekt auf die Tendenzen der Verteidiger ab.

Suche nach Kleinigkeiten

Die Zeiten der ganz großen Innovationen, als man mit Mut aus dem Ligakeller an die Spitze stürmen konnte, sind ohnehin vorbei. 1999 waren es die Rams, die den letzten großen Wandel anstießen und ihren bisher einzigen Super Bowl gewannen. Die "Greatest Show on Turf" brach mit allen Konventionen, setzte auf Pass- statt Laufspielzüge – heute macht es jeder so. Nun suchen 32 Headcoaches und tausende Assistenztrainer Jahr für Jahr nach all den kleinen Verbesserungen, deren Summe in McVays Fall aus einem Verliererteam einen Super-Bowl-Kandidaten machten.

Man muss es Belichick und seinen Assistenten hoch anrechnen, trotz aller Erfolge nie träge geworden zu sein. Die Patriots entdeckten Offensivschmähs neu oder wieder. Hintennach waren sie in den vergangenen 18 Jahren nie. Auch deshalb stehen sie schon wieder im Super Bowl und streben den sechsten Triumph an. (Martin Schauhuber, 2.2.2019)