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Hat es doch noch geschafft: Libanons Premier Saad Hariri.

Foto: Reuters / Mohamed Azakir

Saad Hariri hat es doch wieder geschafft: Fast neun Monate nach den Parlamentswahlen Anfang Mai – den ersten seit 2009 – und guten acht nach seiner Designierung konnte der 48-jährige neue und alte Premier des Libanon am Donnerstagabend den Abschluss der Regierungsbildung verkünden. Das libanesische System zwingt die unterschiedlichen, meist konfessionell definierten politischen Gruppierungen, die manchmal nicht weniger als verfeindet sind, zusammen: Der Ministerpräsident ist laut Verfassung ein sunnitischer Muslim, aber er muss sich mit allen anderen in einer Regierung der Nationalen Einheit gemäß der Wahlergebnisse arrangieren.

Und diese hatten Hariri und seine Zukunftsbewegung geschwächt, die schiitische Hisbollah, die vor den Wahlen auf lokaler Ebene geschickt Verbündete gewann, hingegen gestärkt. Im christlichen Sektor hatten neben der dominierenden Partei von Präsident Michel Aoun beziehungsweise seines Schwiegersohnes Gebran Bassil (Bewegung der Freien Patrioten, FPM) die Forces Libanaises (FL) von Samir Geagea gut abgeschnitten und mussten bei der Regierungsbildung mit Posten befriedigt werden.

Aber das war nur in der ersten Phase der Regierungsbildung ein Problem. Der große Brocken am Schluss war – neben dem üblichen Streit um einzelne Portfolios – eine Gruppe von sechs von der Hisbollah unterstützten sunnitischen und eigentlich unabhängigen Abgeordneten, die Ende Oktober plötzlich ebenfalls ein Ministerium forderten. Hariri wollte sie nicht als eigene Fraktion anerkennen und ihnen auch keinen von den ihm zustehenden Posten geben. Nun wird einer, Hasan Mrad, auf dem Ticket von Präsident Aoun Minister für Außenhandel, ohne aber zu dessen Partei FPM zugerechnet zu werden.

Erste Innenministerin

Die Hisbollah erhält drei Ministerien, das wichtigste, Gesundheit, besetzte sie jedoch mit dem unabhängigen, aber Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah nahestehenden Arzt Jamal Jabak. Der Libanon wird die erste Innenministerin der arabischen Welt haben, Raya al-Hassan von Hariris Zukunftsbewegung, sie war zuvor schon Finanzministerin. Von den vier Frauen im Kabinett besetzt eine auch das wichtige Energieministerium. Einige Minister – unter ihnen Außenminister Gebran Bassil – bleiben im Amt.

Das Kabinett sollte am Samstag zusammentreffen, um die Regierungserklärung vorzubereiten: Und auch diesmal wird sich die Hisbollah wohl mit der Formulierung "Armee, Volk und Widerstand" durchsetzen. Aus Letzterem – dem Widerstand gegen Israel – leitet die Schiitenpartei das Recht zum Erhalt ihres bewaffneten Arms ab. Sowohl das Abkommen von Taif, das 1989 den libanesischen Bürgerkrieg beendete, als auch Uno-Sicherheitsratsresolution 1559 (2004) fordern ja die Auflösung aller Milizen.

Katastrophale wirtschaftliche Lage

Zuletzt war es die Hisbollah, die die sechs Sunniten – sie nennen sich "Konsultative Versammlung" – überredet hatte, den Kompromissvorschlag Aouns anzunehmen. Angesichts des wachsenden Drucks der USA und Israels auf den Iran und auch auf sie selbst kann die Hisbollah den institutionellen Schutz einer Regierung gut brauchen. In einer Rede hatte Hassan Nasrallah zwar vor kurzem Israel verhöhnt, die von der Hisbollah gegrabenen Tunnels unter der israelisch-libanesischen Grenze nicht früher entdeckt zu haben: Aber die wachsende Kriegsgefahr macht die Hisbollah nur bei ihren eingefleischtesten Anhängern populär. Die libanesischen nationalen Streitkräfte (LAF) sind von der Unterstützung von außen, unter anderem der USA, aber auch Saudi-Arabiens abhängig. Auch die Besetzung des Gesundheitsministeriums mit dem Nichtparteimitglied ist wohl ein Versuch, das Ressort mit seinem großen Budget vor gegen die Hisbollah verhängten US-Sanktionen zu schützen.

Ein Ansporn zum Kompromiss war natürlich die katastrophale wirtschaftliche Lage des hochverschuldeten Landes. Der Libanon wurde zuletzt von Moody's auf B3 abgewertet und braucht dringend die Gelder, die im Vorjahr bei einer Konferenz in Paris zugesagt wurden, aber an stabile Verhältnisse geknüpft sind.

Keine Gruppe im neuen Kabinett hat allein eine Sperrminorität von einem Drittel, aber die Hisbollah und die FPM von Aoun plus Mrad werden mit Sicherheit einen Kurs der Normalisierung mit Syrien einschlagen. Das soll auch die Rückkehr von syrischen Flüchtlingen vorantreiben. Für Hariri und seine Mentoren in Riad ist das nicht mehr so kontroversiell wie noch vor wenigen Monaten: Dass sich die Türkei in Syrien festzusetzen versucht, führt ja derzeit dazu, dass sich auch arabische Assad-Gegner wie Saudi-Arabien mit dessen einstweiligem Verbleib an der Macht abfinden. (ANALYSE: Gudrun Harrer, 1.2.2019)