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Vor einer Woche lud der russische Generalstab zum Lokalaugenschein der umstrittenen Rakete.

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Wladimir Putin (hier beim Gipfeltreffen mit Donald Trump im Sommer 2018) hatte den Vertrag schon 2007 als negativ für Russland bezeichnet.

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Die Vorwürfe der US-Administration, die die Kündigung des INF-Vertrags mit russischen Verstößen gegen den Pakt begründet, weist Moskau entschieden zurück. Die Haltung Washingtons sei "destruktiv". Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte am Freitag, die USA seien nicht bereit gewesen, über den Streit zu sprechen. Vieles spreche dafür, dass "die Entscheidung über den Bruch des Abkommens in Washington bereits vor langer Zeit getroffen wurde".

Die ORF-Korrespondenten Robert Uitz-Dallinger in Washington und Carola Schneider in Moskau erläutern, was das Ende INF-Abrüstungsvertrags bedeutet und ob womöglich ein neuer Kalter Krieg droht.
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Die Sprecherin des Außenministeriums Maria Sacharowa drohte mit – vagen –Konsequenzen: "Wenn sich die amerikanische Seite aus dem INF-Vertrag zurückzieht, behält sich Moskau das Recht vor, entsprechend zu reagieren". Bereits zuvor hatte Sacharowa öffentlich das Bedauern Moskaus über das Ende des Abrüstungsvertrags geäußert. Tatsächlich hatte die russische Führung zuletzt noch einige Versuche unternommen, das Abkommen zu retten.

Militärflugplatz besucht

So lud der russische Generalstab in der vergangenen Woche Militärattachés und Journalisten nach Kubinka ein, einem Militärflugplatz rund 60 Kilometer südwestlich von Moskau. In einem Hangar wurde die umstrittene ballistische Rakete 9M729 präsentiert. Ebendiese Rakete aus dem Waffenkomplex Iskander, die auch mit einem Atomsprengkopf bestückbar ist, haben die US-Amerikaner im Verdacht, gegen den INF-Vertrag zu verstoßen.

Das Pentagon geht davon aus, dass die Marschflugkörper eine Reichweite von 2.500 Kilometern haben – deutlich mehr als die zulässige Obergrenze von 500 Kilometern. Von der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad wären somit alle europäischen Hauptstädte außer Lissabon und Reykjavík erreichbar.

Russland weist Vorwürfe zurück

Außenamtssprecherin Sacharowa forderte am Freitag abermals von den USA Beweise für die Anschuldigungen vorzulegen: "Könnten Sie uns außer Ihren Tweets weitere Beweise dafür liefern, wie es geschah? Es gibt keinen einzigen Beweis – kein Satellitenbild, keine Aufnahmen."

Der Chef der Raketentruppen, Michail Matwejewski, bezifferte die Reichweite der 9M729 auf 480 Kilometer. Für größere Reichweiten habe die Rakete keine Treibstoffkapazitäten, so der General. Überprüfen ließen sich die Aussagen anhand seiner Präsentation allerdings nicht, denn zu sehen gab es nur die olivfarbenen Container, in denen die Raketen lagern. Daraus lassen sich aber selbst für Experten kaum Rückschlüsse auf die Größe der Treibstoffladung ziehen.

Somit gibt die gut inszenierte Show der Russen wenig Aufschluss darüber, ob Moskau tatsächlich gegen den Vertrag verstößt. Allerdings argumentiert Russland nicht zu Unrecht, dass auch die Amerikaner mit ihren Waffensystemen prinzipiell gegen den Pakt verstoßen. Denn die Tomahawk-Raketen der US-Armee haben ebenfalls eine Reichweite von 2500 Kilometern. Die Argumentation Washingtons, dass es sich bei Tomahawks um rein seebasierte Raketen handle, wird in Moskau nicht akzeptiert. Dies sei technisch leicht zu umgehen. Russland hat den Verdacht, dass von den Startrampen, die im Rahmen des US-Raketenschilds in Rumänien und Polen aufgebaut wurden, ebensolche Tomahawks abgefeuert werden können.

Moskau nicht nur traurig

So ganz unrecht ist Moskau das Ende des INF-Vertrags allerdings nicht. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte den Vertrag schon 2007 als negativ für Russland bezeichnet. Mit dem Aus hat Russland die Hände frei, offen neue Mittelstreckenraketen zu entwickeln. Der Vizechef des Verteidigungsausschusses im Kreml, Juri Schwytkin, machte bereits entsprechende Andeutungen: Wenn die USA den Vertrag verletzen, würde auch Russland darauf reagieren: "Wenn es um solche Entwicklungen geht, sind wir ja schon vorangekommen, werden aber weiter mit Siebenmeilenstiefeln fortschreiten." (André Ballin aus Moskau, 1.2.2019)