Bild nicht mehr verfügbar.

Mariah Careys Auftritt in Saudi-Arabien wird von gegenläufigen Seiten kritisiert.

Foto: REUTERS/Carlo Allegri/File Photo

So kann man das auch sehen: "Das passiert gerade in Saudi-Arabien, dem Land des Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm), Mariah Carey gibt ihr Konzert nahe der heiligen Stadt Mekka. Wohin führt MbS Saudi-Arabien?" Ein Foto zeigt die amerikanische Popsängerin in einem schwarzen Kleid, der gewagte Ausschnitt ist züchtig verpixelt: Der Tweet dazu stammt, wenn denn die Hinweise stimmen, aus einer Türkei-freundlichen Quelle.

Aber auch saudische Stimmen gab es, die der 48-Jährigen, die als erste Frau im neuen Entertainment-Programm der saudischen Regierung auftreten durfte, ihr "Wir wollen dich nicht hier" entgegen schleuderten.

Mariah Carey hat also, wie man sich auf Youtube überzeugen kann, am Donnerstagabend ihr Konzert in der King Abdullah Economic City (KAEC) absolviert, vor gemischtem Publikum.

Jeddah Attractions

Auch der Anlass war eine Premiere: das Saudi International Golf Turnier. In Saudi-Arabien wurde jetzt gar das "Jahr der Unterhaltung" ausgerufen, in einer Pressekonferenz enthüllte der neue Chef der "General Entertainment Authority" (GEA), Turki al-Sheikh, dass das Königreich – ein Wort, vor dem bisher oft das absolut vergnügungsfeindliche Adjektiv "wahhabitisch" steht – bald zu den Top Ten der internationalen Unterhaltungsziele gehören wird.

Das Offert, das zunächst einmal vor allem ausgehhungrige Saudis annehmen werden, lässt sich der Staat etwas kosten – zumal die Begleiterscheinung der internationale Imagewandel sein soll. Die bisherige Bilanz ist aber bestenfalls gemischt.

Die wahre Lage übertünchen

Carey – die übrigens am Freitag von Saudi-Arabien nach Kärnten weiterreiste – sah sich mit zahlreichen Aufrufen konfrontiert, das Konzert abzusagen: Und damit sind nicht die oben zitierten gemeint, die eine Attacke auf die islamische Identität und moralische Integrität des Landes sehen. Der Sängerin wurde von Menschenrechtsaktivisten vorgehalten, dass sie sich für den Versuch der saudischen Führung hergebe, mit etwas Klimbim die wahre Lage der Frauen in Saudi-Arabien zu übertünchen: Da ist auf der einen Seite die alle gleichermaßen betreffende rechtliche Unmündigkeit, die Frauen unter die Vormundschaft ihrer männlichen Verwandten stellt. Und dann gibt es darüber hinaus noch die Gewalt, die jene Aktivistinnen erfahren, die ja eigentlich Vorkämpferinnen der jetzt durch den Kronprinzen Mohammed bin Salman diktierten kulturellen Öffnung sind. Noch nie saßen so viele im Gefängnis.

"Ich wünschte, sie könnte Ihr Konzert besuchen", schrieb der Bruder der inhaftierten Loujain al-Hathloul in einem Gastkommentar für CNN vor dem Auftritt Careys. "Aber sie ist hinter Gittern, eingesperrt, weil sie versuchte, die Situation der Frauen zu verbessern", so Walid al-Hathloul. Careys Agent betont, die Sängerin habe die Einladung als "positiven Schritt in Richtung Aufhebung der Geschlechtersegregation" in Saudi-Arabien gesehen. Die Bitte, sie möge auf der Bühne zur Freilassung der Feministinnen aufrufen, wurde – erwartungsgemäß – nicht entsprochen.

Zwei Verhaftungswellen

Loujain al-Hathloul war im Mai 2018 gleichzeitig mit etlichen anderen Frauenaktivistinnen festgenommen worden. Ende Juli gab es eine zweite Verhaftungswelle, die unter anderem die Schwester des inhaftierten Bloggers Raif Badawi, Samar Badawi, hinter Gitter brachte. Dazwischen, im Juni 2018, bekamen die Frauen in Saudi-Arabien das Recht, einen Führerschein zu machen – etwas, wofür Loujain al-Hathloul jahrelang gekämpft hatte. Als gegen die geltenden Gesetze ein Auto chauffierende Frau wurde sie bereits 2014 festgenommen und saß zweieinhalb Monate in Haft.

Aber nun ist alles ungleich schlimmer als damals. Ihr Bruder bestätigt in dem CNN-Artikel, was Menschenrechtsorganisationen zuvor gemeldet hatten: Seine Schwester habe ihren Eltern bei einem Besuch erzählt, dass sie regelmäßig vom Gefängnis an einen Ort gebracht werde, wo sie in einem Keller geschlagen, ausgepeitscht und mit Elektrostößen gefoltert, psychologisch gequält und sexuell belästigt werde. Dabei soll auch Saud al-Qahtani aufgetaucht sein, der wegen des Mords am Journalisten Jamal Khashoggi entlassene "Berater" des Kronprinzen. Loujain al-Hathloul sei in extrem schlechter physischer und psychologischer Verfassung. Riad hat diese Vorwürfe zurückgewiesen.

Lebensversicherung

Diese Nachrichten sind auch deshalb so erschütternd, weil man sich fragt, wie die saudischen Behörden da wieder herauskommen wollen. Noch gibt es ja keine Anklagen, aber von den Medien wurden die mutmaßlichen Vorwürfe gegen die inhaftierten Frauen so formuliert – Verrat, Spionage –, dass theoretisch auch Todesstrafen möglich sind.

Wobei dann alles Geld der Welt nicht mehr helfen wird, das Image Saudi-Arabiens wieder zu polieren. Es ist zu hoffen, dass das eine Lebensversicherung für die Frauen ist. Auch US-Präsident Donald Trump – der den Auftragsmord an Khashoggi im Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul am liebsten ignorieren würde, aber vom Kongress unter Druck gesetzt wird – müsste sich dann wohl von den Saudis distanzieren.

Schiitische Aktivistin

In all dem Schrecken gibt es die eine gute Nachricht, dass die inhaftierte Aktivistin Israa al-Ghomgham offensichtlich nicht mehr von der Todesstrafe bedroht wird. Die Staatsanwaltschaft habe diese vergangenen Sommer erhobene Forderung inzwischen fallengelassen, heißt es.

Der Fall Ghomgham ist aber wieder anders gelagert, auch wenn sie in vielen internationalen Medien ebenfalls unter "Frauenrechtlerin" geführt wird. Ghomgham ist eine Schiitin aus Qatif, in ihrem Fall geht um den Kampf gegen die Diskriminierung der schiitischen Minderheit. Jeder Protest der Schiiten wird streng geahndet, und Ghomgham hatte sich 2011 bei vom "Arabischen Frühling" inspirierten Demonstrationen beteiligt. Als Schiit landet man als politischer Häftling schneller im Todestrakt, sagen Menschenrechtsorganisationen. Die aktuellste Hinrichtung vor wenigen Tagen betraf jedoch eine philippinische Hausangestellte, die wegen Mordes verurteilt worden war. (Gudrun Harrer, 3.2.2019)