Steven Pruitt ist der Rekordhalter im Verfassen von Wikipedia-Einträgen.

Wenn man so viel Zeit im Internet verbringt, hat man es draußen in der Welt eventuell ein wenig schwer. Steven Pruitt wohnt vielleicht deshalb mit seinen 34 Jahren noch immer im Hotel Mama. Mutter und Vater Pruitt halten dem Mann den Rücken frei, wenn er abends von seiner Arbeit im Archiv der US-amerikanischen Grenzbehörde in San Antonio, Texas, heimkommt und sich an die Ausübung seiner Berufung macht.

Steven Pruitt hat seit 2004 auf der (englischsprachigen) Plattform Wikipedia mehr als 35.000 eigenständige Einträge erstellt sowie mehr als 2,2 Milllionen Wikipedia-Beiträge bearbeitet, korrigiert oder ergänzt. Das ist auf Wikipedia nachzulesen. Am Eintrag zu "Steven Pruitt" hat sehr wahrscheinlich Steven Pruitt selbst mitgewirkt.

Mehr als drei Stunden täglich verbringt der studierte Kunsthistoriker laut eigener Eingabe, pardon, Angabe privat vor dem Computer im Kinderzimmer seines Elternhauses. Unter dem Pseudonym "Ser Amantio di Nicolao", einer Figur aus Giacomo Puccinis 1918 an der Metropolitan Opera in New York uraufgeführtem komödiantischem Operneinakter Gianni Schicchi, ergänzt Opernfan Pruitt für Gottes Lohn das Schwarmwissen der Welt in dieser 2001 gegründeten (laut Wikipedia) "gemeinnützigen" Online-Enzyklopädie mit mittlerweile über 49,3 Millionen "kollaborativ" geschriebenen Artikeln.

Gegen die Dominanz von Männern

Das Time Magazine zählte Pruitt deshalb 2017 neben Donald Trump oder Harry-Potterin J. K. Rowling zu den 25 einflussreichsten "Influencern" im Netz. Dabei bekommt Wikipedia nicht von allen Seiten uneingeschränktes Lob. An vielen Schulen etwa ist es nicht erlaubt, Wikipedia für Referate zu Rate zu ziehen. Zu viele Trolle verstopfen den Kanal mit falschen Fakten. Zu viele Menschen verlassen sich auf Wikipedia als gültige (und einzige) Wissensquelle. Auch der Forscherdrang leidet doch sehr stark, wenn man immer gleich alles findet, was man glaubt, finden zu können.

Steven Pruitt kämpft übrigens auf Wikipedia nicht nur gegen Fehler, sondern auch für das Projekt "Women in Red". Dieses soll die Dominanz von Männern im Netz (und dadurch das Gefälle in der Berichterstattung gegenüber Frauen) zumindest ein wenig verringern. Mehr als 200 Artikel über bisher unbeachtete wichtige Frauen hat Steven Pruitt mittlerweile verfasst. In diesem Bereich hat der Autor die nächsten Jahrzehnte gut zu tun. Frohes Googeln! (Christian Schachinger, 3.2.2019)