Schätzungen gehen von mehr als hunderttausend Unterstützern für Guaidó aus.

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Caracas – Mit zwei Großkundgebungen in der Hauptstadt Caracas haben Regierung und Opposition in Venezuela am Wochenende ihren Machtanspruch untermauert. "Wir bleiben auf den Straßen, bis es Freiheit, eine Übergangsregierung und Neuwahlen gibt", sagte der selbsternannte Interimspräsident Juan Guaidó unter dem Jubel der Menge.

Der umstrittene Staatschef Nicolas Maduro bot erneut eine Neuwahl an – aber die des von der Opposition dominierten Parlaments und nicht des Präsidenten, wie es Guaidó und auch mehrere europäische Länder sowie die USA fordern.

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Schwere Krise im Rücken

Venezuela befindet sich seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise. Obwohl das Land über die größten bekannten Erdölreserven weltweit verfügt, fehlen Lebensmittel und Medikamente, Hyperinflation macht Bargeld faktisch wertlos. Etwa drei Millionen Menschen sind bereits ins Ausland geflüchtet.

Über Stunden waren Teile der Hauptstadt am Samstag in ein Meer gelb-blau-roter Fahnen getaucht. Verlässliche Angaben zu den Teilnehmerzahlen beider Kundgebungen, die fünf Kilometer voneinander entfernt stattfanden, gab es nicht. Es war von jeweils bis zu hunderttausend Menschen die Rede. Das der Opposition nahestehende Portal "Efecto Cocuyo" berichtete aber, dass es Maduro nicht gelang, die zentrale Avenida Bolivar zu füllen. Die zahllosen Mitarbeiter von Ministerien und Staatsfirmen auf der Kundgebung hätten sich vor den Bühnen konzentriert, die von den Kameras des Staatsfernsehens ins Bild genommen wurden.

Maduro sprach aus Anlass des 20. Jahrestages des Amtsantritts seines Mentors Hugo Chávez. Der Oberstleutnant Chávez, Anführer eines gescheiterten Putschversuches 1992, hatte Ende 1998 die Präsidentenwahl gewonnen. Als Staatschef machte er sich mit massiver kubanischer Unterstützung daran, das erdölreiche Land im Sinne eines "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" umzubauen. Chávez starb 2013, Maduro wurde sein Nachfolger. Venezuela ist wie andere lateinamerikanische Länder von Korruption und krassen sozialen Gegensätzen gekennzeichnet.

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Nicolás Maduro, links, wird von Juan Guaidó herausgefordert.
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Kurz auf Guadios Seite

Guaidó ist der Präsident des von der Opposition kontrollierten, aber von Maduro entmachteten Parlaments. Er hatte sich am 23. Jänner zum Übergangsstaatschef erklärt. Er argumentiert, Maduros Wiederwahl im vergangenen Jahr habe demokratischen Standards nicht genügt. Dieser Meinung sind auch die deutsche und andere europäische Regierungen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Sonntag mit Guaidó telefoniert, wie das Bundeskanzleramt der APA mitteilte. Dabei habe der Bundeskanzler Guaidó seine "volle Unterstützung" zugesichert in dem Bemühen, "rasche, freie und faire Präsidentschaftswahlen" zu organisieren. Es gehe darum, die Demokratie in Venezuela wiederherzustellen.

Kontaktgruppe

In der Hoffnung auf eine Entschärfung der Krise wollen einige EU-Staaten am Donnerstag in Uruguay erstmals in einer hochrangigen Kontaktgruppe mit lateinamerikanischen Ländern beraten. Dies teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Sonntag mit. Diese soll helfen, die Krise in dem ölreichen südamerikanischen Staat friedlich durch freie Wahlen zu beenden.

Die EU hatte vorige Woche keine einheitliche Linie im Streit über die Anerkennung des selbsternannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó in Venezuela erzielt. In der Kontaktgruppe sollen die EU sowie deren Mitglieder Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden und Großbritannien mit den lateinamerikanischen Ländern Bolivien, Costa Rica, Ecuador und Uruguay zusammenarbeiten. Vermittlungsversuche zwischen dem venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro und Oppositionsführer Guaidó soll es aber nicht geben.

Ultimatum bis Sonntag

Am Sonntag lief ein Ultimatum ab, wonach Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Großbritannien, die Niederlande und Belgien Guaidó als legitimen Übergangsstaatschef anerkennen würden, falls Maduro keine freie Präsidentenwahl ausruft. Die USA sowie mehrere Länder Lateinamerikas und weltweit haben Guaidó bereits anerkannt. Hinter Maduro stehen unter anderem Russland, China und die Türkei. Innenpolitisch stützt er sich vor allem auf das Militär.

Am Samstag sagte sich ein Luftwaffengeneral von Maduro los. "Ich erkenne die diktatorische Macht Nicolas Maduros nicht an", erklärte der Divisionsgeneral Francisco Yanez Rodríguez in einem auf Twitter verbreiteten Video. Wo und wann das Video aufgenommen wurde, war nicht bekannt. Der Militär stellte sich als Planungschef der Luftwaffe vor und versicherte, dass 90 Prozent der Streitkräfte gegen Maduro seien. Luftwaffenchef General Pedro Alberto Juliac Lartiguez warf dem Zwei-Sterne-General "Verrat" vor.

USA für Intervention

Die USA forderten die Militärführung auf, Maduro endlich die Gefolgschaft aufzukündigen. "Jetzt ist die Zeit, sich an die Seite des venezolanischen Volkes zu stellen", schrieb Sicherheitsberater John Bolton am Samstag auf Twitter. Am Freitag hatte Vizepräsident Mike Pence Guaidó schon demonstrativ den Rücken gestärkt. "Die Zeit ist gekommen, Maduros Diktatur ein für alle Mal zu beenden", sagte er in einer Rede vor Exil-Venezolanern in Florida. Mit anderen, nicht demokratisch regierten Ländern wie etwa Saudi-Arabien unterhalten die USA jedoch enge Beziehungen.

Auch US-Präsident Donald Trump hat ein militärisches Eingreifen der USA in Venezuela erneut nicht ausgeschlossen. Auf die Frage, was passieren müsste, damit die USA in Venezuela militärisch aktiv würden, sagte er in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des Senders CBS: "Ich möchte das nicht sagen. Aber es ist sicherlich etwas, das auf dem – es ist eine Option."

Trump erklärte, Venezuelas Präsident Nicolas Maduro habe vor etwa einem Monat um ein Treffen mit dem US-Präsidenten gebeten. Trump sagte, er habe dies abgelehnt. "Ich habe damals entschieden, nein, weil so viele wirklich furchtbare Dinge in Venezuela passieren, wenn man sich dieses Land ansieht", sagte Trump.

Maduro hatte schon im vergangenen September bei einer Rede vor der UN-Vollversammlung in New York ein Treffen mit Trump angeboten. Trump selbst hatte das damals auch nicht ausgeschlossen. Von einer Begegnung der beiden wurde aber nichts bekannt.

Maduro warnt vor Bürgerkrieg

Maduro warnte vor der Gefahr eines Bürgerkriegs. "Alles hängt vom Grad der Verrücktheit und der Aggressivität des Imperiums des Nordens (USA) und von dessen westlichen Verbündeten ab", sagte er in einem Interview des spanischen Fernsehsenders La Sexta. "Wir leben einfach in unserem Land und verlangen, dass sich niemand in unsere internen Angelegenheiten einmischt. Und wir bereiten uns darauf vor, unser Land zu verteidigen", sagte er weiter.

Juan Guaidó, der selbst ernannte venezolanische Interimspräsident, hat die Unterstützung von Sebastian Kurz.
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Auch im Ausland fanden am Samstag Kundgebungen für Guaidó statt, unter anderem in Spanien, wo rund 400.000 Venezolaner leben. In Barcelona und Madrid trugen Teilnehmer Schilder mit Sätzen wie "Raus mit Maduro, dem Diktator!", "SOS Venezuela" oder "Keine Toten mehr!" (APA, 3.2.2019)