Der Haarölfabrikant Biedermann (Günter Franzmeier, li.) nimmt es mit seinen Eindringlingen (u. a. Gábor Biedermann und Jan Thümer) sportlich auf: Basketball, Curling, American Football etc.

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Wien – Man kann es sich als Schriftsteller nicht aussuchen, mit welchem Werk man dermaleinst so richtig Furore gemacht haben wird. Auch Max Frisch zeigte sich leicht indigniert darüber, dass er ausgerechnet "von diesem Haarölschwindler" im Stück Biedermann und die Brandstifter am besten leben konnte. Seit 1958 ist das "Lehrstück ohne Lehre" (Untertitel) jedenfalls kanonisiert und fest verankerte Schullektüre.

Worum geht es? Eine fiktive "Vaterstadt" wird von Brandschatzern terrorisiert. Den Haarölfabrikanten Biedermann (Günter Franzmeier) und seine Frau (Steffi Krautz) plagt deshalb unbändige Angst. Und doch haben sie, als sich drei vermeintliche Hausierer (in Wahrheit: Brandstifter) hemmungslos in ihrem Haus einnisten, nur Schiss vor der eigenen Erkenntnis und hoffen, die Sache mit hilflosen Beschwichtigungen aussitzen zu können. Eine Kopf-in-den-Sand-Mentalität.

Überall Benzinfässer

Selbst als der Dachboden schon mit Benzinfässern vollgeräumt ist und die "Gäste" (Thomas Frank, Gábor Biedermann und Jan Thümer) überdeutlich von "Zündschnur" und "Zündkapsel" reden, klammert sich das Paar an die eigene Verblendung. Es kann nicht sein, was nicht sein darf!

Dieses Stück passt insofern in unsere Gegenwart, als Angst ein großer Motor geworden ist. Die Angst vor materiellem Verlust, die Sabotage des eigenen klassenspezifischen Status und seiner ihm eingeschriebenen Verhaltensweisen. Der Angriff aufs Eigenheim – zumal in industrialisierten Gesellschaften – ist das unvorstellbare Sakrileg. Indes lässt sich Frischs Lehrstück gar nicht so leicht ins Heute transportieren. Denn heute entfacht diffuse Angst ganz andere, deutlich vehementere Reaktionen. Obendrein agieren die Brandstifter scheinbar unpolitisch, nämlich "aus purer Lust" und ganz und gar nicht im Sinne einer Umverteilung. Ihr Revoltieren ist ideologiefrei.

Schwächelnde Bourgeoisie

Wohl auch deshalb hat Regisseur Viktor Bodó seine Inszenierung am Volkstheater sicherheitshalber im Zeitkolorit der 1950er-Jahre belassen: mausgraue Wählscheibentelefone und Golfschläger der ersten Stunde. Vor allem aus dieser Patina einer verschlafenen Bürgerwelt schlägt er Funken für einen satten 100-Minuten-Abend. Bodó interessiert sich für die Details dieses eine schwächelnde Bourgeoisie vorführenden Dramas, nicht für die interpretatorische Geste. Biedermann und die Brandstifter bleibt somit eine Bühnenarbeit, die sich lediglich im Kleinen beweist. Das aber mit Verve. Der Regisseur (zuletzt am Haus mit Klein Zaches, 2017) bürstet das Ding auf Klamauk.

Dafür lässt er sich einiges einfallen. Zu den besten Momenten in dieser hinfälligen Bürgerwelt zählt die im wunderschön angeranzten Salon (Bühne: Juli Balázs) gut sichtbar angebrachte, grandios dysfunktionale hausinterne Sprechanlage. Man kann die Alien-Töne, die die Hausangestellte (Evi Kehrstephan) aus der Küche rüberfunkt, als Parodie auf die Technikversessenheit der Nachkriegszeit interpretieren. Oder auch als subversiven Akt im Sinne von:"Ihr könnt mich mal! Ich spreche eine andere Sprache."

Dichter Slapstick

Der Stellungskrieg nimmt aber noch actionreichere Formen an: Es werden Filmszenen gekapert (Casablanca) und Schattenspiele aufgezogen; der Slapstick verdichtet sich zu absurden Szenen (Kaffeetassen-Orgasmus). Vor allem aber sind es die zuweilen in Zeitlupe ausgestellten Duelle, die sich Biedermann und seine Widersacher auf sportlicher Ebene liefern (Curling, Basketball und Co).

Die Inszenierung zieht dahingehend alle Register, ähnlich den Marketingmanövern, die das Volkstheater unternommen hat: Pyromanen kamen im Vorfeld der Premiere voll auf ihre Kosten, als vor Vorstellungsbeginn auf dem Außenbalkon sowie auf dem Dach des Hauses die Flammenwerfer zur Sache gingen. Glutrote Feuerfontänen erleuchteten die Fassade des Gebäudes. Zudem waren werbewirksam Zeugnisse einer Feuersbrunst (ausgebranntes Auto) an mehreren Plätzen der Stadt platziert.

Zwiespältiges Stück

Auf der Bühne trainiert das Ensemble vor allem die Klamaukmuskeln. Das ist meist hübsch anzuschauen, lässt aber doch einige Fragen in diesem zwiespältigen und von Theatermachern heute gar nicht so geschätzten Stück offen. Dennoch herzlicher Applaus. (Margarete Affenzeller, 4.2.2019)