Italien erlebt erstmals seit 2014 wieder eine Rezession – Populistische Regierung sucht die Verantwortlichen in der Vergangenheit

Italiens Wirtschaft ist in eine Rezession gerutscht: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verringerte sich laut Statistikamt Istat zwischen Oktober und Dezember im Vergleich zum Vorquartal um 0,2 Prozent. Bereits im dritten Quartal gab es ein Minus von 0,1 Prozent – Experten sprechen von einer "technischen Rezession". Laut Istat gab es im vierten Quartal die schlechtesten Zahlen seit fünf Jahren; zuletzt war Italiens Wirtschaft 2014 geschrumpft. Notenbankchef Ignazio Visco zeigte sich am Wochenende alarmiert.

Streit um Verantwortung

Regierungschef Giuseppe Conte macht externe Faktoren verantwortlich: die Abschwächung der Konjunktur im wichtigen Exportland Deutschland, den Handelskrieg zwischen den USA und China sowie die Unsicherheit rund um den Brexit. Dass auch das Exportland Italien unter diesen widrigen Umständen leidet, ist unbestritten. Doch für einen maßgeblichen Teil der Probleme in dem hochverschuldeten Land trägt die populistische Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega die Verantwortung.

Mit ihren Budgetplänen, die eine massive Neuverschuldung vorsahen, hatte die Regierung im Herbst 2018 die Finanzmärkte verschreckt; die Folge war ein markanter Zinsanstieg für Staatsan leihen, was wiederum die Kredite der Geschäftsbanken an die Unternehmen verteuerte.

Probleme mit Megaprojekten

Gleichzeitig blockierte Infrastrukturminister Danilo Toninelli eine Reihe längst bewilligter und zum Teil in Bau befindlicher Großprojekte wie die umstrittene Zughochgeschwindigkeitsstrecke durch die Val di Susa Richtung Frankreich. Der Minister gehört der Protestbewegung an, deren Gründer Beppe Grillo das "fröh liche Minuswachstum" propagiert und solche Megaprojekte aus Prinzip ablehnt. Toninellis Parteichef, Vizepremier Luigi Di Maio, sieht das ähnlich.

Angesichts der haushalts- und wirtschaftspolitischen Kapriolen hagelt es Kritik. "Jetzt muss man sofort gegensteuern, beginnen muss man mit der Freigabe der blockierten Baustellen", fordert etwa der Präsident des Industriellenverbands Confindustria, Vincenzo Boccia. Dies sei umso dringlicher, als die provisorischen Daten aus den Unternehmen für den Jänner einen noch markanteren Rückgang der Wirtschaftsleistung erwarten ließen.

Kritik von Ex-Premier Renzi

Hart ins Gericht mit der Regierung geht auch die Opposition: Expremier Matteo Renzi erinnerte daran, dass unter den Mitte-links-Regierungen die Wirtschaft 14 Quartale lang ununterbrochen gewachsen sei, "während in den wenigen Monaten unter den Fünf Sternen und der Lega bereits 76.000 Arbeitsplätze vernichtet wurden und Italien in die Rezession zurückgekehrt ist". Antonio Tajani, Vorsitzender des Europaparlaments und Mitglied von Silvio Berlusconis liberalkonservativer Forza Italia, sieht nur eine Lösung: "Dieser Regierung muss man den Stecker ziehen."

Di Maio gibt der Vorgängerregierung die Schuld: Diese habe gelogen, als sie erklärte, die Krise sei überwunden. Conte glaubt wiederum, dass die Budgetmaßnahmen – Einführung eines "Bürgereinkommens", Senkung des Pensionsalters – ab dem zweiten Quartal 2019 positiv wirken werden. Die parlamentarische Finanzaufsicht teilt den Optimismus nicht: Die Wachstumswirkung der beiden Maßnahmen sei "irrelevant"; ohne Korrekturen riskiere Italien, ein schmerzhaftes Nachtragsbudget oder sogar eine Vermögenssteuer beschließen zu müssen, schreibt das politisch unabhängige Gremium. (Dominik Straub aus Rom, 4.2.2019)