Man kennt das vielleicht aus der Schule: Die Vorbereitung für die Mathe-Schularbeit war unzureichend, während des Tests erwischt man zwar ein paar richtige Ergebnisse, aber insgesamt bleibt man realistisch. Das wird ein Fleck. Aber da ist es doch: dieses schwache Gefühl der Hoffnung, das Klammern und der Glaube ans Gute im Universum. Vielleicht geht sich's ja irgendwie aus. Genau das ist der Nährboden für die Enttäuschung, wenn der Fünfer dann schwarz, also rot auf weiß vor einem liegt. Trauer.

Das österreichische Daviscup-Team hat die Prüfung gegen Chile nicht bestanden. Unterm Strich steht ein 2:3, die Qualifikation für das neue Finalturnier der besten 18 Nationen in Madrid wurde verpasst. Unterm Strich ist es kalt. Es war eine Achterbahn der Hoffnungen, die Favoritenrollen wurden hin und her getauscht. Ein Wechselspiel zwischen Understatement, Wunschvorstellungen und Realitätswatschn.

Statt zu feiern, musste Stefan Koubek gratulieren: Österreich unterliegt Chile und darf nicht zum Daviscup-Finale nach Madrid.
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"Mit der Absage von Dominic Thiem wurden wir in die Außenseiterrolle gezwungen. Aber das Team hat das gut gemacht", sagt ÖTV-Präsident Werner Klausner. Über die zwei Tage des Ländervergleichs wurde der Name der österreichischen Nummer eins immer wieder fast ehrfürchtig durch die Salzburger Halle gehaucht. Man lehnte sich zurück: "Mit dem Dominic würde alles anders ausschauen."

Stabile Luftschlösser

Dabei sah es zwischenzeitlich gut aus. Der Debütant Jurij Rodionov zeigte in seinem ersten Match gegen die chilenische Nummer eins Nicolas Jarry eine beachtliche Leistung, Dennis Novak bewies erneut, dass er Daviscup sehr gut kann, und nach dem 1:1 vom ersten Tag wurden die Luftschlösser immer stabiler. Als am zweiten Tag das Doppel Jürgen Melzer und Oliver Marach einen 1:4-Rückstand im dritten Satz zur 2:1-Führung für Österreich drehte und Novak im dritten Einzel ins entscheidende Tie-Break einzog, sah man sich schon gedanklich beim Finalturnier. Aber Novak verlor, Chile glich aus.

"Ich war schon in Madrid", sagte Kapitän Stefan Koubek am Abend. "Wir waren nur ein Tie-Break entfernt", sagte Doppelroutinier Jürgen Melzer ebenfalls am Abend. "Es war knapp, in einem Tie-Break kann alles passieren", sagte Präsident Klausner am Tag danach. "Es ist nicht leicht, gleich beim ersten Daviscup eine so wichtige Rolle zu spielen", sagte Rodionov, nachdem er das entscheidende Einzel gegen Chiles Nummer zwei Christian Garin deutlich mit 2:6, 1:6 verloren hatte.

Jurij Rodionov war die Bürde des entscheidenden Einzels zu groß.
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Rodionovs Lehren

Der 19-Jährige wurde freilich nicht zum Sündenbock, seine Leistung sei ein Versprechen für die Zukunft. Dass ein junger Spieler die nahe Zukunft, also die Qualifikation für das Finale, auf den Schultern tragen musste, zeigt dennoch, dass es an Breite in der Qualität fehlt. Es reicht eben nicht, immer nur "Dominic Thiem" zu hauchen, wenn man zur erweiterten Weltspitze gehören will. Rodionov war – vielleicht unbewusst – ehrlich zwischen den Zeilen. Schon nach seinem Auftakt gegen Jarry sagte er, dass er "in einem Jahr auf dem Niveau sei, wenn nicht besser". Die Erfahrung, dass auch Anfeuern anstrengend sein kann, sammelte er auch: "Es war ein Fehler von mir, dass ich im Doppel den größten Teil zugeschaut habe. Das ist sehr kräftezehrend gewesen."

Rodionovs Aufstellung schien alternativlos. Auf Melzer wurde nicht zurückgegriffen, das kalte Wasser erwies sich für den jungen Spieler als zugefrorener See. Kapitän Koubek steht außer Frage, Klausner gibt Rückendeckung: "Wir haben vor der Begegnung mit Chile seinen Vertrag verlängert und stehen dazu."

Statt einer glanzvollen Woche in Madrid geht es für Österreich um den Verbleib in der Weltgruppe. Der Gegner wird am 6. Februar zugelost. Quasi ein Nachzipf. Ein weiterer Fünfer ließe die Alarmglocken wohl lauter schrillen. (Andreas Hagenauer, 3.2.2019)