Berlin – Der arabische Gesundheitstourismus in den deutschsprachigen Raum geht zurück. Hauptursache sind überhöhte und unklare Rechnungen. Das geht aus einer Studie des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hervor, der einzigen Institution europaweit, die sich mit dem internationalen Gesundheitstourismus wissenschaftlich befasst. Auch Österreich ist betroffen.

Die zum Teil dramatischen Rückgänge in Deutschland – die Studie bezieht sich auf 2017 – gehen auf Unklarheiten in den stark überhöhten Abrechnungen von Kliniken, Ärzten und Vermittlern zurück. Vermutlich habe es schon seit mehreren Jahren überhöhte Rechnungen gegeben, mittlerweile seien jedoch bessere Prüfmechanismen eingeführt worden, erläutert Jens Juszczak von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg im Gespräch mit der APA. In einigen arabischen Staaten seien mittlerweile die Rechnungshöfe auf Fälle in Deutschland aufmerksam geworden, bei denen es um strittige Rechnungen im Ausmaß von 600 Millionen Euro gehen dürfte. IDer internationale Gesundheitstourismus ist in Deutschland ein Milliardenmarkt.

Keine strikten Regeln

Experten der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg nahmen die Situation in Österreich, das als Zielland ausländischer Patienten durchaus im Konkurrenzverhältnis zu Deutschland steht, nicht so genau unter die Lupe wie die deutsche Lage, dennoch wurden beispielhaft auch österreichische Abrechnungen geprüft. Außerdem habe man Kontakte zu österreichischen medizinischen Anbietern. Mit diesem Überblick könne man behaupten, dass es in Österreich nicht besser sei. Hier würden sogar manche Abrechnungen das, was in Deutschland passiere, in den Schatten stellen. Deutschland nehme alles sehr genau und produziere immer mehr Normen, wogegen Österreich und die Schweiz keine so strikten Regeln hätten. In Österreich sehe man eben nicht so genau hin wie in Deutschland.

Die Rückgänge im Gesundheitstourismus in Deutschland sind zum Teil drastisch. Betroffen sind vor allem Baden-Württemberg, Bayern und Berlin. Aus Kuwait kamen deutschlandweit 62 Prozent weniger Patienten. Allein in Berlin beträgt der Rückgang der kuwaitischen Patienten 81 Prozent. Aus Saudi-Arabien kamen 36 Prozent weniger, aus dem Oman 28 Prozent.

Einzig die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) widersetzen sich diesem Trend: Die VAE schlossen soeben Kooperationen mit der deutschen Medizinindustrie und dem brandenburgischen Wirtschaftsministerium ab und bauen auf den Ruf der deutschen Medizintechnik-, Gesundheits- und Pharmaindustrie.

Schwarze Listen

Der Rückgang der Patienten aus dem arabischen Raum werde so lange anhalten, bis Unklarheiten mit weit überhöhten Rechnungen aufgeklärt seien, sagt Jens Juszczak, Autor der Studie. Er berichtet von Schwarzen Listen, die es auf beiden Seiten gebe. Arabische Botschaften tauschten untereinander Informationen über Kliniken mit auffallend hohen Rechnungen aus. Umgekehrt tauschen auch Krankenhäuser untereinander Informationen über Botschaften aus, die zwar Übernahmeerklärungen abgeben, aber dann die Bezahlung verweigern. (APA, 3.2.2019)