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Die Polizei beschreibt den Vorfall recht nüchtern: Am 1. Februar sei es um 1:20 Uhr morgens in einem Lokal zu einem "Streit zwischen mehreren Personen" gekommen. Zwei Männer hätten mit einem ihnen "unbekannten Paar gestritten", daran beteiligten sich immer mehr Lokalgäste. "Im Zuge der Auseinandersetzung packte laut Zeugenaussagen einer der beiden Männer (63, Österreich) die dem Paar zugehörige Frau (35) bei den Haaren und zerrte sie so aus dem Lokal". Danach soll er sie mit dem Kopf voran auf den Gehsteig gestoßen haben; gegen ihn wird nun wegen schwerer Körperverletzung ermittelt.

Bei der Betroffenen handelt es sich um eine Journalistin, die mit ihren Freunden aus dem Umkreis der regierungskritischen Donnerstagsdemo unterwegs war. Deren Mit-Initiator Can Gülcü veröffentlichte auf Facebook eine eigene Schilderung des Vorfalls, wobei er auch ein Foto des Tatverdächtigen publizierte – der durch einen äußerst schmalen Balken kaum anonymisiert wurde. Das Bild wurde von zahlreichen Personen weiterverbreitet. Die Aktion führte zu erbitterten Debatten in sozialen Medien.

"Menschen vorwarnen"

So ist die Argumentationslinie, die auch Gülcü vorbringt, dass mit der Veröffentlichung des Fotos "so viele Menschen wie nur möglich vorgewarnt" wären, wenn sie "ihn in einem Lokal zufällig treffen und auf seine sexistischen Sprüche ansprechen". Das Mediengesetz, das in der Praxis auch für Twitter- und Facebook-Konten gilt, die Identität von Tatverdächtigen zu enthüllen, wenn kein "überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden hat". Dadurch wird etwa die Unschuldsvermutung geschützt, außerdem soll Selbstjustiz vermieden werden. Ausnahme ist etwa die amtliche Ausschreibung zur Fahndung. Untersuchungshaft kann nur verhängt werden, wenn Flucht- oder Wiederholungsgefahr besteht. Diese sahen die Behörden in diesem Fall offenbar nicht.

Kritik in sozialen Medien

Viele, die sich mit der Angegriffenen solidarisch zeigen, verweisen darauf, dass die Kritiker "nicht dabei" gewesen wären und daher nicht erlebt hätten, wie brutal der Übergriff angeblich gewesen sei. Allerdings wird mit dem Outing des mutmaßlichen Täters die staatliche Aufarbeitung des Falls vorweggenommen. Das kritisierte etwa der "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk, der auf Twitter dazu mit den Betroffenen debattierte.

Das Outen von mutmaßlichen Straftätern ist sonst vor allem im rechten Milieu anzutreffen. So fiel der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Christian Höbart damit auf, auf Facebook eine Warnung vor einem "ausländisch aussehenden Mann" abgesetzt zu haben. Dieser soll eine junge Frau verfolgt haben, galt juristisch jedoch als unschuldig. In Deutschland instrumentalisieren Neonazis regelmäßig Fälle von Kindesmissbrauch, um politisch Stimmung zu machen. Sie verteilen etwa Flugblätter oder belagern das Haus von ehemaligen Sexualstraftätern. (fsc, 4.2.2019)