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Bereits seit Tagen stimmt sich das Reich der Mitte auf die großen Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahrsfest ein.

Foto: REUTERS/Stringer

Chinas neues Jahr beginnt heute, Dienstag, den 5. Februar. Es steht nach den zwölf Tierzeichen des traditionellen Kalenders unter dem glückbringenden Einfluss des Erde-Schweins. 2019 unterscheidet sich vom vorhergehenden Feuer-Schwein-Jahr 2007. Damals fürchteten Chinas Planer einen Rückschlag für ihre Ein-Kind-Geburtenplanung. Abergläubische junge Chinesen planten, massenhaft Nachwuchs in die Welt zu setzen. Denn jedes Kind, das 2007 auf die Welt käme – so verkündeten es damals alle Neujahrspropheten –, würde sein Leben lang in Wohlstand und Glück leben können. Zeitungen warnten: "Die Babyschwemme kommt!"

Heuer würde man sich in Peking über mehr Nachwuchs freuen. Denn alles ist anders geworden. Demoskopen schlagen Alarm: Chinas Bevölkerungswachstum ist nach 30 Jahren strikter Geburtenkontrolle unter das Reproduktionsniveau gefallen – die chinesische Gesellschaft altert rapide. Zwar dürfen Familien seit 2015 wieder zwei Kinder haben, doch sie nutzen die Erlaubnis nicht.

Geburtenrate: Tendenz fallend

2018 wurden zwei Millionen Babys weniger als im Vorjahr geboren, das auch schon im Minus lag. 2019, so lautet die Prognose der Bevölkerungsforscher, wird die Geburtenrate weiter fallen. Hält diese Tendenz an, dann sei sogar der Aufstieg der Volksrepublik zur Weltmacht spätestens ab 2030 gefährdet. Die staatliche Post druckte auf ihrer Neujahrsmarke ein fröhliches Schweinepaar mit drei Ferkeln. Pekinger standen in langen Schlangen an, um die Wertsteigerung versprechende Marke zu ergattern. Mehr Kinder wollen sie trotzdem nicht haben.

Die Partei macht Werbung für das Fest, um Optimismus zu wecken. Am Wochenende war dafür sogar KP-Chef Xi Jinping in den Gassen Pekings unterwegs. Er klebte eigenhändig das Schriftzeichen "fu", das "Glück" bedeutet, auf die Tür eines Hauses. Die "Pekinger Abendzeitung" widmete Xi, der nach Neujahrssitte mit den Anwohnern chinesische Ravioli knetete, volle sieben Seiten – ein neuer Höhepunkt des um den Alleinherrscher veranstalteten Personenkults. "Zwischen uns und dem Vorsitzendem gibt es kein Gefühl der Distanz", riefen die Anwohner. Der Besuch erfülle sie mit großer Zuversicht in ihre Zukunft.

Spott im Netz

Die ist nötig angesichts der eingetrübten wirtschaftlichen Aussichten für 2019, des Handels- und Machtstreits mit den USA und der Konflikte Pekings mit immer mehr Staaten des Westens. Im Netz spotten Blogger, was sie vom Schwein-Jahr erwarten: "2019 wird das schlimmste Jahr der vergangenen Dekade. Doch – denkt positiv! – es wird das beste Jahr der kommenden zehn Jahre sein." Andere zählen deterministisch katastrophale Ereignisse der Jahrzehnte seit 1949 auf, die auf die Endzahl neun endeten, von den blutigen Kurzkriegen, die China 1969 an seinen Grenzen mit der Sowjetunion und 1979 mit Vietnam führte, bis 1989 mit dem bis heute tabuisierten Tiananmen-Massaker des 4. Juni.

Noch nie plante China das Frühlingsfest mit solchem Aufwand wie 2019. Zwar wurde in den Innenstädten der Metropolen aus Angst vor Bränden und Smog alles Feuerwerk verboten. Doch Peking hisste 400.000 Lampions, Glücksknoten und andere Leuchtutensilien an seinen Straßen, Gebäuden und Plätzen. Erstmals offeriert selbst der gediegene Kaiserpalast unter Direktor Shan Qixiang Neujahrsattraktionen. Er rekonstruiert, wie die Herrscher der Qingzeit (1644–1911) das traditionelle Fest einleuchteten. 8000 Bedienstete mussten für sie in der Verbotenen Stadt elf Meter hohe Himmelslampen und Wanshoudeng-Lampen aufbauen, die mit Seidenbändern voller Glückssprüche für ein "langes Leben" des Kaisers behängt waren. Vier illuminierte Lichtermasten hat Shan vor der "Halle zur höchsten Reinheit" aufstellen lassen.

Schwein unter dem Dach

Das Neujahrsfest ist in China die einzige Zeit, in der die Bevölkerung für mindestens eine Woche der Bevormundung durch Parteifunktionäre und deren ideologischen Indoktrinationen entkommen. Hunderte Millionen Menschen sind, bepackt mit Lebensmitteln und Geschenken, kreuz und quer durchs Land unterwegs, haben dabei nur ihre Familienzusammenkunft zu Hause im Kopf.

Deshalb passt kein anderes Tier zu Chinas größtem Familienfest so gut wie das Schwein. Das Zeichen für Familie, "jia", setzt sich aus zwei Piktogrammen zusammen, die sich aus uralten Agrarzeiten zur heutigen Schreibweise entwickelten. Eines der Bildzeichen stand für ein Dach, das andere für ein Schwein darunter.