Um Sex und Zeugs dreht sich unsere Welt. Sexy gibt sich diverses Zeug, aber es treibt seine eigenen Spielchen, indem es vortäuscht, seinen Nutzern zu dienen, diese aber von sich abhängig macht und sie zum Narren hält. Mit dem Themenschwerpunkt Material Worlds. Paint & Plaster, Dots & Tapes, Ropes & Chains versucht das Tanzquartier Wien diesen Mechanismus zu erschließen und zu zeigen, wie sich die Dinge und ihre Baustoffe in der künstlerischen Performance aufführen.

Allen Arbeiten im Schwerpunkt ist die Auffassung gemeinsam, dass die dort verwendeten Sachen nicht nur Requisiten sind, sondern eigenständige "Akteure", die sich von den Menschen viel weniger unterscheiden als man glauben möchte. Nicht nur weil sich auch das lebendige Fleisch und Blut leicht in seine unbelebten Bestandteile versachlichen lässt, sondern weil die Dinge nicht nur Formen und Funktionen sind: Als Projektionen unserer Wahrnehmung können sie täuschen, und als objektgewordene Bündelungen der menschlichen Tätigkeiten, die zu ihrer Erzeugung nötig sind, plaudern sie etliches über uns aus.

Lisa Hinterreithner zeigt im Wiener Tanzquartier "And And" – erfolglos kämpfen die Darsteller darin um die Kontrolle über das Unbezähmbare.
Foto: Eva Würdinger

Bisher waren drei Stücke zu sehen: Endo des französischen Choreografen David Wampach, Blab der Finnin Sonja Jokiniemi und And And von Lisa Hinterreithner aus Salzburg. Was hat das Zeug da mit jenen gemacht, die es auf die Bühne zerrten?

Bei Endo waren bunte Flüssigkeiten am Werk. Diese haben die Künstler dazu gebracht, ihre Körper zu bekleckern, um dem Publikum durch exzentrisches Verhalten aufzufallen. Damit diese Körper nach ihrer Pfeife tanzen, spielen die Farben bei Endo mit Stoffen, Instrumenten und Lampen.

Den Körper fest im Griff

Vor allem das Gewand hat den Körper fest im Griff. Das betrifft unser aller Alltagsleben, in dem die Kleidung jeden ihrer Träger bis unter die Haut entblößt: immer, überall und so selbstverständlich, dass es kaum einer merkt.

In Blab agiert das dort verwendete Zeug besonders hinterlistig, weil es die Performer dazu treibt, sich als regredierte Primaten zu inszenieren, die wie manisch mit nachgebauten Dildos hantieren. So verführt es seine Choreografin immerhin zu einer lustigen Darstellung der Untrennbarkeit von Trieb und Ding.

Auf ein erweitertes Verständnis von Material hat sich Lisa Hinterreithner mit Linda Samaraweerová eingelassen. In ihrem Duett And And gehören bereits Zeichen und Ideologien zu dem Zeug, das den Menschen lenkt. Bis zur inneren Erschöpfung versuchen die Performerinnen, die Kontrolle über das Unbezähmbare zurückzugewinnen. Natürlich erfolglos. (Helmut Ploebst, 5.2.2019)