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Österreicher wurden in den letzten zwei Jahrzehnten meist in höherqualifizierten Berufen beschäftigt.

Foto: Getty Images/Lisa-Blue

Ob im Gasthaus, Supermarkt, Taxi oder am Bau: Überall sieht man nur noch Ausländer werken. Haben sie den Österreichern die Arbeitsplätze weggenommen und sie in die Arbeitslosigkeit gedrängt? Oder sind die Österreicher faul und bescheiden geworden? Keineswegs – die Statistik zeigt ein völlig anderes Bild! Österreicher arbeiten in höherqualifizierten Berufen, mit denen man weniger täglichen Kontakt hat als mit Supermarktpersonal oder Kellnern.

Höhere Bildung und Digitalisierung haben zu dramatischen Umschichtungen am Arbeitsmarkt geführt. Studien des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigen, dass in Österreich in den letzten zwei Jahrzehnten Jahr für Jahr 31.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze entstanden: 20.000 im Bereich analytisch/interaktiver Nichtroutinetätigkeiten und 11.000 im Bereich kognitiver Routinetätigkeiten. Hingegen sind 7000 wenigqualifizierte Arbeitsplätze verlorengegangen: jeweils 3500 in den Bereichen manuelle Nichtroutinetätigkeit beziehungsweise manueller Routinetätigkeit. Das ist erfreulich, denn Österreichs Wirtschaft kann bloß im Bereich hochtechnischer und hochqualifizierter Produkte und Dienstleistungen konkurrenzfähig sein, und dieser benötigt hochqualifziertes Personal.

Geht man davon aus, dass die Zuwanderer im allgemeinen weniger qualifiziert sind als die Österreicher und demgemäß bloß ein Viertel von ihnen höherwertige Arbeitsplätze besetzen konnte, lässt sich die enorme Umschichtung auf dem Arbeitsmarkt erkennen: Jahr für Jahr fanden zusätzlich 27.000 Österreicher Arbeitsplätze im hochqualifizierten Bereich, wogegen sie 19.000 niedrigqualifizierte aufgaben. Diese niedrigqualifizierten Positionen wurden mit 12.000 Ausländern besetzt, etwa 7000 Arbeitsplätze gingen durch Rationalisierung, Digitalisierung und Abwanderung ins Ausland verloren.

Die massive Umqualifzierung der Österreicher ist eine beeindruckende, aber (bedauerlicherweise) weitgehend unbekannte Erfolgsstory. Wie haben die Österreicher das geschafft? Ein wenig haben Umschulungen und Weiterbildung geholfen; der überwiegende Teil jedoch ist die Folge des Generationswechsels und höherer Bildung. Die junge Generation, die ins Berufsleben tritt, hat durchwegs höheren Bildungsgrad als die alte, ausscheidende; insofern trug unser Bildungssystem und die Bildungsbereitschaft der Bevölkerung effizient zur Anpassung an die neuen Erfordernisse des Arbeitsmarktes bei.

Digitalisierung schafft Arbeit

Diese erfolgreiche österreichische Arbeitsmarkt-Umschichtung widerlegt eine Reihe von gängigen Vorurteilen und Ängsten:

· Erstens die weit verbreitete Angst, dass der Arbeitsgesellschaft die Arbeit ausgeht, dass also Roboter, Digitalisierung und Verlagerung von Arbeitsplätzen ins billigere Ausland die Österreicher arbeitslos machen. Bisher jedenfalls hat der technische Fortschritt eher mehr Arbeitsplätze geschaffen als vernichtet, vor allem hochqualifizierte. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass neuere Entwicklungen wie Artificial Intelligence diese Tendenz umkehren. Der Trend der Multifaktor-Produktivität spricht jedoch nicht dafür.

Demgemäß ist auch die nach wie vor überhöhte Arbeitslosigkeit (2018 7,7 Prozent) kein Beweis für einen strukturellen Mangel an Arbeitsplätzen. Einerseits hinkt die Arbeitsmarktlage der Konjunktur stets nach, und sie bessert sich demgemäß auch von Monat zu Monat. Andererseits ist die Arbeitslosigkeit auf ganz bestimmte Gruppen beschränkt: Vor allem auf Türken (16,5 Prozent) sowie Bulgaren und Rumänen (11,5 Prozent), deren Qualifikation und Deutschkenntnisse zumeist unzureichend sind; Minderqualifzierte (bloß Pflichtschulabschluss) sind aber auch generell – unabhängig von ihrer Nationalität – von Arbeitslosigkeit stärker betroffen: teils weil das Angebot durch Zuwanderung größer ist als die Nachfrage, aber auch weil der Arbeitsplatzwechsel bei diesen Gruppen häufiger erfolgt und damit unvermeidliche temporäre Arbeitslosigkeit während des Wechsels entsteht. Problematisch bleibt die Arbeitslosigkeit von Älteren und Behinderten; hier gilt es nicht bloß Vorurteile der Arbeitgeber abzubauen, sondern auch politisch aktiv zu werden.

· Zweitens widerlegt die reibungslose Umschichtung die merkwürdige Vorstellung, dass die Umschichtung zu höher qualifizierten Arbeitsplätzen die Umschulung von Hilfsarbeitern zu Computerspezialisten erfordere, was an deren intellektuelle Grenzen stoße. Die Erfahrung zeigt ganz deutlich, dass die Umschichtung ganz überwiegend im Rahmen des Generationswechsels erfolgt. Umschulungen zu jeweils etwas höheren, aber nicht völlig anderen Qualifikationen können die Anpassung natürlich erleichtern, haben quantitativ jedoch geringe Bedeutung. Die quantitative Bildungsexplosion wird fortgeführt werden müssen: Es gilt vor allem die Lehre an die neuen Anforderungen anzupassen und die Drop-out-Quote an Mittel- und Hochschulen zu senken.

Notwendige Zuwanderung

· Drittens zeigt die österreichische Arbeitsmarkt-Umschichtung, dass wir die ausländischen Zuwanderer dringend benötigen. Sie haben nicht bloß den Österreichern ermöglicht auf bessere, höherwertige und auch angenehmere Arbeitsplätze umzusteigen, sondern auch die Lücken am Arbeitsmarkt aufgefüllt, die die Österreicher durch ihren Aufstieg aufgerissen haben. Nicht bloß in Österreich hat sich gezeigt, dass auch hochentwickelte Volkswirtschaften einen entsprechenden Bedarf an niedrigqualifizierten Arbeitskräften haben. (Gunther Tichy, 4.2.2019)