Wien – Die Besetzung des Standortbeirats, der das Wirtschaftsministerium bei der Auswahl standortrelevanter Großinvestitionen berät, sorgt für Kritik. Die Bundesarbeiterkammer bezeichnete die Besetzung am Montag als "einseitig", weil mit Ex-Verbund-Managerin Ulrike Baumgartner-Gabitzer (Vorsitzende), Ex-Strabag-Vorstand Christian Ebner und Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun ausschließlich die Wirtschaftsseite vertreten sei.

Die drei Vertreter der Ministerien vermögen diesen Überhang nach Ansicht der AK nicht wettzumachen: der Sektionschef im Umwelt- und Energieministerium, Franz Jäger, der FPÖ-Bundesrat und freiheitliche Industriesprecher Reinhard Pisec und die im Außenamt für Standortpolitik zuständige Ulrike Ritzinger. "Wer den Standort Österreich weiterbringen will, muss die Beschäftigten und die Konsumentinnen und Konsumenten von Anfang an angemessen beteiligen", fordert AK-Präsidentin Renate Anderl. Das gehe nur mit der Sachkenntnis von Arbeiterkammern und Gewerkschaften. "Projekte wie die dritte Piste, der Lobautunnel oder eine Hochspannungsleitung wie die 380-Kilovolt-Leitung durch Salzburg gehen aber alle etwas an." Deshalb müsse der Standortbeirat zurück an den Start.

Expertise bündeln

Die Regierung zeigte sich davon unbeeindruckt. "Wir bündeln in diesem Gremium die notwendige Expertise, die es für die Beurteilung komplexer und strategisch relevanter Projekte braucht", begründete Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) die Personalauswahl. Jede dieser Personen verfüge über langjährige Erfahrung, "um eine ordentliche Abwägung zwischen dem wirtschaftlichen und öffentlichen Interesse vorzunehmen".

Anders als die AK ortet die Umweltorganisation Virus, die gegen Projekte wie die Marchfeldschnellstraße S 8, den Lobautunnel und andere Schnellstraßen ankämpft, Unvereinbarkeit.

Ob das Gremium zur angestrebten Verfahrensbeschleunigung von Behördenverfahren beitragen wird, muss sich erst weisen. Laut Standortentwicklungsgesetz hat es die Regierung eilig mit der Bescheinigung der Standortrelevanz, Projektwerber können sich nach Erteilung dieser Standortrelevanz allerdings drei Jahre Zeit lassen bis zur Einreichung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Erst dann erlischt die nicht an spezielle Kriterien geknüpfte Spezialbescheinigung.

Blick in die Vergangenheit

In der Vergangenheit waren es freilich überwiegend nicht die Behörden, die Zeit vergeudet haben, sondern die teilstaatlichen Projektwerber: Der Flughafen hat die Wirtschaftlichkeitsberechnungen der dritten Piste bis heute nicht vorgelegt, und der Asfinag fehlen bei der S8 noch immer Gutachten über die Beeinträchtigung von Tieren und deren Lebensraum.

Stichwort Lebensraum: Als Fall für den Standortbeirat gelten die Kärnten-Leitung des Verbunds (Ringschluss der 380-kV-Leitung von Lienz bis Völkermarkt) und der östliche Teil der S 8. (ung, 4.2.2019)