Bild nicht mehr verfügbar.

In Österreich soll die Datenspeicherung auf Autobahnen ausgeweitet werden. Schon jetzt werden Kennzeichen mit Datenbanken abgeglichen – für deutsche Gerichte ist das verfassungswidrig.

Foto: Werner Bachmeier / Visum / picturedesk.com

Benjamin Erhart fährt gern mit dem Auto. Doch wenn der Softwareentwickler aus Abensbach bei Regensburg mit dem Pkw zu seinem Zweitwohnsitz in Salzburg unterwegs ist, dann ärgert er sich.

Erhart weiß, dass irgendwo, gut getarnt, Kameras installiert sind. Denn in Bayern wie auch in Hessen und Baden-Württemberg werden die Kennzeichen vorbeifahrender Kraftfahrzeuge erfasst, kurz gespeichert und dann mit den Kennzeichen aus den Fahndungsdaten abgeglichen. Ergibt sich kein Treffer, wird der Datensatz automatisch gelöscht.

Eine Zumutung – trotz der Löschung, findet der 39-Jährige. "Alle Autofahrer werden verdachtsunabhängig und anlasslos überwacht. Das ist die Umkehrung der Unschuldsvermutung und geht in einem Rechtsstaat nicht", sagt er zum STANDARD.

Einen Eingriff in ihre Grundrechte sehen auch ein Mann und eine Frau aus dem schwarz-grün regierten Hessen und dem grün-schwarz-regierten Baden-Württemberg. Wie Erhart legten sie Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein, nun haben sie recht bekommen.

Ständige Überwachung

Der Erste Senat entschied, dass die Polizei in den drei deutschen Bundesländern zum Teil verfassungswidrig agiere. "Zur Freiheitlichkeit des Gemeinwesens gehört es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden, hinsichtlich ihrer Rechtschaffenheit Rechenschaft ablegen zu müssen und dem Gefühl eines ständigen Überwachtwerdens ausgesetzt zu sein", heißt es in dem Urteil.

Die "Durchführung von Kontrollen zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort ins Blaue hinein ist mit dem Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich unvereinbar", schreiben die Richter und geben der drei Ländern auf, die Gesetze bis Jahresende zu reparieren.

"Hinreichend gewichtiger Anlass"

Zwar erklärt das Gericht, dass ein Kennzeichenabgleich zur Gefahrenabwehr im Prinzip erlaubt sei. Aber es müsse dafür einen "hinreichend gewichtigen Anlass" geben. In Bayern, monieren die Richter außerdem, habe die Landespolizei gar nicht die Kompetenz, um die Kontrollen unmittelbar zum Grenzschutz durchzuführen.

Kläger Ehrhart ist mit dem Urteil, auf das er zehn Jahre gewartet hat, zufrieden. Er sagt aber auch: "Wenn das Bundesverfassungsgericht beinahe schon regelmäßig Gesetze kippen muss, weil sie nicht verfassungsgemäß sind, bedeutet dass, unsere Politiker machen ihre Arbeit nicht so gut, wie sie sein müsste."

Erhöhte Datenspeicherung geplant

Auch hierzulande werden Kennzeichen mit einer Datenbank abgeglichen. Ist ein Auto als gestohlen gemeldet oder fährt ein Lenker zu schnell, werden die Daten gespeichert. Mit dem sogenannten Sicherheitspaket will die Regierung die Überwachung auf Autobahnen weiter erhöhen: Dabei sollen die Daten, darunter das Kennzeichen, die Marke, der Typ und die Farbe, über einen längeren Zeitraum gespeichert werden. Die Umsetzung lässt nach jetzigem Stand aber noch auf sich warten. Aktuell werde geprüft, inwiefern die Pläne technisch umgesetzt werden könnten, sagt die Asfinag zum STANDARD.

"Anlasslose Massenüberwachung"

"Das ist eine Art der Vorratsdatenspeicherung, gegen die der Europäische Gerichtshof bereits mehrmals entschieden hat", kritisiert Angelika Adensamer von der Grundrechts-NGO Epicenter Work. Eine solche sei nur bei schwerer Kriminalität oder bei besonders gefährlichen Strecken zulässig. "Hier handelt es sich um anlasslose Massenüberwachung des öffentlichen Raums, der man sich als Einzelner kaum entziehen kann", sagt Adensamer. Daher sei man optimistisch, dass die Pläne in dieser Form vom Verfassungsgerichtshof gekippt werden. (Muzayen Al-Youssef, Birgit Baumann, Markus Sulzbacher, 5.2.2019)