Top-3-Lehrberufe bei Mädchen: Einzelhandel, Bürokauffrau und Friseurin.

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"Mädchen wählen oft schlechter bezahlte Lehrberufe" war neulich in Zeitungen zu lesen. Das suggeriert, Mädchen seien selbst daran schuld, wenn sie eine Lehre in einer Branche machen, in der geringere Einstiegsgehälter gezahlt werden und in der sie auch später weniger verdienen werden.

Das ist ungefähr so, als würde man bei Verkehrsstaus die Schlagzeile "Autofahrer wählen stark befahrene Straßen" wählen. Beide thematisieren nicht die "strukturelle Gewalt" hinter dem Phänomen. Bei den Staus sind es etwa fehlende öffentliche Verkehrsmittel, bei der Berufswahl ist es eine patriarchalische Gesellschaftsstruktur mit geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, die die Arbeit von Frauen generell niedriger bewertet. Das hat lange Tradition. Schon in der Zeit, als ein Großteil der Bevölkerung noch in der Landwirtschaft tätig war, erfolgte die Arbeitsteilung entlang der Linie Prestige und Geld. Wenn die Milchwirtschaft einen wichtigen Einkommenszweig darstellte, wurde sie von Männern ausgeübt, war dies nicht der Fall, fiel sie in den Bereich der Frauen.

Hoher Stellenwert

In unserer Gesellschaft hat Technik einen sehr hohen Stellenwert. Sie ist männlich besetzt und dementsprechend gutbezahlt. Die in den Beiträgen zitierte Arbeiterkammer-Expertin Edith Kugi-Mazza sieht daher die Notwendigkeit, Mädchen für technische Berufe zu motivieren. Die schlechtere Entlohnung von Frauen lässt sich jedoch nicht damit lösen, dass sie in männlichen Berufsfeldern tätig sind.

Außerdem ist zu hinterfragen, warum es ausgerechnet wieder die Mädchen sein sollen, die sich anzupassen haben. Es wäre ja auch eine Strategie, für eine bessere Bezahlung von "Frauenberufen" einzutreten und für deren Gleichwertigkeit mit technischen Berufen zu kämpfen. Personen in Pflegeberufen sind etwa gleich in mehrfacher Hinsicht gefordert: Sie benötigen körperliche Kraft, Know-how und müssen über eine enorme psychische Belastbarkeit verfügen. Es gibt keinen rationalen Grund, diese Tätigkeit niedriger einzustufen als die eines Metallarbeiters.

Bei beiden Geschlechtern ansetzen

Ziel muss es daher sein, bei beiden Geschlechtern anzusetzen und nicht einseitig Mädchen als "förderbedürftig" hinzustellen. Auch Burschen sollten für Berufsfelder motiviert werden, die sie bisher nur in geringem Maße ausüben. Dadurch würde für beide Geschlechter eine breitere Berufswahl möglich, womit (in ferner Zukunft) tatsächlich so etwas wie eine persönliche Wahl stattfinden kann. (Sigrid Kroismayr, 5.2.2019)