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Donald Trumps Rede zur Lage der Nation war eher eine polemische Wahlkampfrede als staatsmännisch.

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Der elfjährige Joshua Trump, der wegen seines Namens eingeladen worden war verschlief der Großteil der Präsidetenrede. Mehr dazu >>>

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Es ist die Überraschung des Abends. Weit über die Hälfte seines knapp anderthalbstündigen Auftritts hat Donald Trump bereits absolviert, da redet er von Amerikas Frauen. Die ihm, so gibt er zu verstehen, Dankbarkeit schuldeten. Niemand, sagt er, habe mehr vom Wirtschaftsboom profitiert als die Frauen, denn 58 Prozent aller im vorigen Jahr neu geschaffenen Jobs seien an sie gegangen. In dem Augenblick bricht Heiterkeit aus bei den Demokratinnen im Abgeordnetenhaus, die nahezu einheitlich Weiß tragen, um an die Suffragetten zu erinnern, an die Frauenrechtlerinnen des frühen 20. Jahrhunderts.

The New York Times

Sie applaudieren nicht nur, sie jubeln, lachen, winken, tanzen. Eine steht auf, um zu dirigieren, als wäre dies ein Chor, der ein Ständchen improvisiert. "Das war eigentlich nicht vorgesehen", bemerkt der Mann am Rednerpult, worauf der Jubel nur noch ausgelassener wird. "Setzt euch noch nicht, es wird euch gefallen, was als Nächstes kommt", improvisiert nun auch Trump, dann spricht er von der Rekordzahl weiblicher Abgeordneter im amerikanischen Kongress, und dies ein Jahrhundert nachdem dieser das Frauenwahlrecht beschloss. "USA! USA!", skandieren sie daraufhin im Saal, nicht nur dort, wo sich das Weiß ballt, sondern auch, wenngleich verhaltener, auf den Plätzen der Republikaner.

ORF-Korrespondentin über Trumps Rede.
ORF

Die Opposition feiert einen Meilenstein, 131 Frauen im Parlament, so viele wie noch nie, die meisten in ihren Reihen. Und die Regierungspartei, Trump eingeschlossen, quittiert es mit ähnlich guter Laune. Es ist der eine versöhnliche Moment eines Abends, der ansonsten ganz im Zeichen der bereits beginnenden Wahlschlacht ums Weiße Haus steht.

Der Präsident ist gekommen, um die Lage der Nation einzuschätzen. Es ist die politische Gala des Jahres, und im Idealfall soll sie für ein paar Stunden vergessen lassen, welch tiefer Graben die beiden Parteien trennt. Auch Trump beschwört anfangs pflichtgemäß die Einheit der Vereinigten Staaten, der Rest seiner Rede aber klingt so, als wollte er sie demnächst auf einer Kampagnenbühne halten.

Angriff auf Untersuchungen

Außenpolitisches streift er nur am Rande. Am 27. und 28. Februar, lässt er wissen, werde er sich in Vietnam mit Kim Jong-un treffen, dem Machthaber Nordkoreas. Es ist von der Substanz her die wichtigste Nachricht, doch in Washington geht sie fast unter, weil sich eben alles um das Kräftemessen des Staatschefs mit seinen erstarkten Widersachern dreht. Trumps Angriffslust gipfelt in Sätzen, die so polemisch sind, wie man es in der jüngeren Geschichte noch nicht erlebt hat, wenn die Rede zur Lage der Nation auf dem Programm stand.

Das Land, sagt er, erlebe gerade ein Wirtschaftswunder. Das Einzige, was es stoppen könne, seien dumme Kriege, politische Spielchen und lächerliche, parteiische Nachforschungen. "Wenn es Frieden und Gesetze geben soll, kann es nicht Krieg und Untersuchungen geben. So funktioniert das einfach nicht."

Damit fordert er die Demokraten auf, genau das zu unterlassen, worauf diese schon seit Wochen brennen. In parlamentarischen Ausschüssen, in denen sie seit Jänner die Mehrheit bilden, wollen sie ein grelles Licht auf bislang nur schwach ausgeleuchtete Ecken des Trump-Imperiums werfen. Steuererklärungen des einstigen Immobilienmoguls, bisher unter Verschluss gehalten, sollen veröffentlicht, Geschäftskontakte nach Russland oder in die arabische Welt auf politische Brisanz abgeklopft werden. Der Präsident hält dagegen, indem er seine Republikaner für den Fall aller Fälle zu einer De-facto-Blockade des Parlamentsbetriebs aufruft. Sollte sich die Gegenseite auf ihre Wühlarbeit versteifen, wäre die Quittung, dass die Legislative keine Gesetze mehr verabschieden kann.

Ähnlich kompromisslos klingt, was er zum Thema Migration zu sagen hat. Einmal mehr spricht er von einer "akuten nationalen Krise" an der Grenze zu Mexiko, wo die Zahl illegal Einwandernder nach einem deutlichen Rückgang vor zwei Jahren zwar wieder steigt, aber noch weit entfernt ist von früheren Rekordwerten. Karawanen mittelloser Immigranten, die quer durch Mexiko Richtung Norden ziehen, charakterisiert er als "kolossalen Angriff". Er habe 3750 zusätzliche Soldaten an die Südgrenze beordert, um sich dafür zu wappnen: "Wir haben die moralische Pflicht, ein Migrationssystem zu schaffen, welches das Leben und die Arbeitsplätze unserer Bürger schützt." Dazu, schiebt er hinterher, wolle er endlich eine Mauer errichten.

Einwanderungsland USA

"Migranten, nicht Mauern, machen die USA stark", erwidert Stacey Abrams, eine aufstrebende Demokratin aus Georgia, die im Namen ihrer Partei am Dienstagabend eine kurze Gegenrede hält. Statt in die Details zu gehen, statt mögliche Mittelwege zu skizzieren, belässt es Donald Trump dabei, den Entschlossenen zu geben. Den Praktiker aus der Welt der Immobilien, der es den zaudernden Berufspolitikern schon zeigen wird: "Eine richtige Mauer ist nie gebaut worden. Ich bekomme sie gebaut." (Frank Herrmann aus Washington, 6.2.2019)