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Brüssel – Die EU-Kommission hat die geplante Bahnfusion des deutschen Industriekonzerns Siemens und seines französischen Konkurrenten Alstom untersagt. Der Zusammenschluss würde den Wettbewerb, etwa bei Hochgeschwindigkeitszügen, einschränken, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit.

Die von den beiden Unternehmen angebotenen Abhilfemaßnahmen hätten nicht ausgereicht, um die Bedenken auszuräumen. Die EU-Kommission ist das höchste Kartellamt in der Staatengemeinschaft.

Die Hersteller der Hochgeschwindigkeitszüge ICE und TGV wollten mit der im September 2017 verkündeten Fusion dem chinesischen Staatskonzern CRRC besser Paroli bieten, der mit einem Umsatz von umgerechnet 30 Milliarden Euro etwa doppelt so groß ist wie die beiden Europäer zusammen.

Vestager für starke Wettbewerbsregeln

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager widerspricht Kritik, mit dem Verbot der Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom europäischen Unternehmen zu schaden. Die EU-Regeln seien dazu da, um einen offenen und fairen Wettbewerb in Europa zu gewährleisten, sagte Vestager am Mittwoch in Brüssel. "Unsere Firmen bleiben so wachsam. Ein Unternehmen wird im Ausland nicht wettbewerbsfähig sein können, wenn es nicht auch zu Hause Wettbewerb hat."

Politiker und Unternehmensführer werfen Vestager vor, mit der Untersagung den Aufbau europäischer Vorzeigekonzerne, die international besser bestehen könnten, zu behindern. Vestager hatte die Fusion der Hersteller der Hochgeschwindigkeitszüge ICE und TGV gestoppt, weil der fusionierte Konzern in Europa in manchen Geschäften nahezu ohne Wettbewerber gewesen wäre.

Altmaier will EU-Recht ändern

Nach dem Nein der EU-Kommission peilt der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine Änderung des EU-Rechts an. Zusammen mit Frankreich werde man eine Initiative vorbereiten, "die zu einer zeitgemäßen Anpassung des europäischen Wettbewerbsrechts führen soll", sagte Altmaier am Mittwoch in Berlin.

Im globalen Wettbewerb mit China und den USA sei es wichtig, dass europäische Branchengrößen entstehen und mithalten können. Die Entscheidung Brüssels findet er bedauerlich. Aber sie werde "uns anspornen und ermutigen, weiter für eine solche Lösung zu arbeiten", sagte der CDU-Politiker mit Blick auf die untersagte Fusion. Es sei entscheidend, "dass wir für die Zukunft Zusammenschlüsse ermöglichen, die für die Wettbewerbsfähigkeit von Europa auf den internationalen Weltmärkten notwendig sind". Wie genau man dies am besten erreichen könne, werde noch geprüft.

Zu Wort hat sich heute auch die österreichische Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck gemeldet: "Diese Entscheidung ist für uns nicht nachvollziehbar. Anstatt europäische Firmen für den globalen Wettbewerb zu stärken, wird der Standort geschwächt. Mit solchen Entscheidungen darf Europa sich nicht wundern, wenn Asien und die USA die Weltmärkte dominieren."

Zugeständnisse Ende Jänner

Um die negativen Auswirkungen auf den europäischen Wettbewerb zu minimieren, verlangten die EU-Wettbewerbshüter von Siemens und Alstom unter anderem weitreichende Veräußerungen bei der Signaltechnik sowie langjährige Lizenzierungen von Technik für Hochgeschwindigkeitszüge. Ende Jänner legten die beiden Unternehmen noch einmal in einem ungewöhnlichen Schritt Zugeständnisse nach. Da wurde jedoch bereits gemutmaßt, dass diese möglicherweise nicht ausreichen könnten. Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge sagte der Tageszeitung "Le Figaro", einen zweiten Anlauf für eine Fusion mit Siemens werde es nicht geben.

Altmaier brachte in der Debatte auch Änderungen am EU-Wettbewerbsrecht ins Spiel. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erklärte jedoch am Dienstag, die Kommission werde bei Wettbewerbsentscheidungen "niemals Politik spielen" oder Sonderbehandlungen gewähren.

"Das ist eine Ohrfeige für Herrn Altmaier", sagt FDP-Fraktionsvize Michael Theurer laut einer Mitteilung. "Noch am gleichen Tag, an dem er vorschlägt, zum Wohle der Konzerne das Kartellrecht aufzuweichen, kommt die klare Antwort der Wettbewerbshüter. Im Gegensatz zu Altmaier hat Vestager noch einen klaren ordnungspolitischen Kompass." Europa können keinen "Monopolisten für Bahntechnik" brauchen. Wettbewerb und Innovationskraft führten zu internationaler Wettbewerbsfähigkeit bei der Bahntechnik, so Theurer. (APA, 6.2.2019)