Der Kampf um das Recht auf Selbstbestimmung bleibt zäh.

Foto: Imago/Chris Emil Janßen

Am Mittwoch wurde im deutschen Bundestag die Änderung des umstrittenen Paragrafen 219a beschlossen. Erst forderte die SPD, den Paragrafen zum Werbeverbot von Schwangerschaftsabbrüchen komplett zu streichen, geworden ist es aus feministischer Perspektive ein fauler Kompromiss – wie so oft beim Thema Schwangerschaftsabbruch. Ärzte und Ärztinnen sowie Krankenhäuser dürfen jetzt zwar informieren, aber nur eingeschränkt. Wer über Methoden, Kosten oder Risiko des Schwangerschaftsabbruchs öffentlich informiert, den können emsige AbtreibungsgegnerInnen weiterhin vor Gericht zerren.

Man kann damit zufrieden sein, dass es zumindest zu einer Abmilderung des Paragrafen 219a gekommen ist. Man könnte aber auch das Beharren auf diesen symbolischen erhobenen Zeigefinger satthaben. Denn davon gibt es schon genug. Sei es in Deutschland eben mit dem Paragrafen 219a, sei es die Beratungspflicht, die Frauen in Deutschland eine Zwangswartezeit verordnet, bevor sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen.

Symbolische und logische Hürden

Und schließlich: Sei es das Beharren darauf, dass der Schwangerschaftsabbruch lediglich straffrei ist, nicht legal, und dass er deshalb weiterhin in den Strafgesetzbüchern geregelt sein soll – wie es auch in Österreich der Fall ist. Über weite Strecken ist man sich einig, dass die Fristenregelung okay ist. Bei der Umsetzung hapert es aber noch gewaltig, sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Auch darin ist man sich einig, zumindest Fachleute und betroffene Frauen. Immer weniger Ärztinnen und Ärzte nehmen Schwangerschaftsabbrüche vor, die Wege für Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen wollen, sind weit, die Kosten sind hoch.

Die symbolischen Hürden sind mit den logistischen und finanziellen Hürden eng verwoben. Das Stigma wird durch die regelmäßigen "Märsche des Lebens" von AbtreibungsgegnerInnen, das Herumgeeiere der Politik, welche die bestehenden Übereinkünfte auf keinen Fall ändern will, auch wenn es Verbesserungsbedarf gibt. Keiner der Kompromisse um den Schwangerschaftsabbruch trägt dazu bei, das Stigma zu beseitigen, wie die Journalistin Teresa Bücker völlig richtig am Sonntag in der Talkshow "Anne Will" sagte. Das Stigma wird ganz bewusst aufrechterhalten – und genau das ist das Problem, gegen das keine Partei mit Macht etwas unternimmt, in Deutschland ebenso wenig wie in Österreich.

Keine Chance bieten

Warum das so ist, wird nur selten ausgesprochen. Die ehemalige deutsche Bundesjustizministerin Sabine Schnarrenberger (FDP) hat es aber – auch bei "Anne Will" – getan: Weil man im derzeitigen gesellschaftlichen Klima fürchtet, dass es eher zurück statt nach vorn geht, wenn man alte Vereinbarungen aufschnürt. Demnach muss man an dem festhalten, was man hat. Damit erst gar nicht die Chance entsteht, mühsame errungene Frauenrechte zu beschneiden.

Diesen Rückwärtstrend gibt es definitiv. In Deutschland wie in Österreich. Jede rechtspopulistische bis rechte Partei – von FPÖ bis AFD – stemmt sich gegen jegliche gesetzlich verankerte Autonomie für Frauen über deren Körper. Politiker dieser Provenienz nennen sich oft ganz selbstverständlich Abtreibungsgegner. Diese finden sich aber auch zuhauf in den konservativen Regierungsparteien. So manche ÖVP-PolitikerInnen nehmen die Aufgabe des sogenannten "Lebensschutzes" besonders ernst. ÖVP-Familiensprecher Norbert Sieber und Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler marschierten beim Jahr für Jahr größer werdenden "Marschs des Lebens" in Wien nicht nur mit, sondern hielten dort auch Reden. Das muss Frauenrechtlerinnen in höchste Alarmbereitschaft versetzen, damit kein noch so kleines Rädchen zurückgedreht wird.

Woran sich aber auch nichts ändert, ist das Stigma, mit dem man durch kleine symbolische Hürden und reale Schikanen aufrechterhält. Damit Frauen ja nicht meinen, dass es in Ordnung ist, dass sie allein für sich entscheiden. (Beate Hausbichler, 6.2.2019)