Åre– Beinahe wäre der taktische Schachzug tatsächlich Gold wert gewesen, mit einem eigens gecharterten Privatjet einzufliegen, sich die strapaziöse Anreise zu ersparen und so Körner zu sparen. Vincent Kriechmayr aber verpasste den Triumph beim Super-G am Mittwoch in Åre als Ex-aequo-Zweiter mit dem Franzosen Johan Clarey um nur neun Hundertstel, musste sich lediglich Dominik Paris geschlagen geben. Der 27-jährige Oberösterreicher holte nach dem Schlamassel am Dienstag, als Nicole Schmidhofer nur als Elfte des Super-G abschwang, aber die erste Medaille für Österreich bei dieser WM.

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Vincent Kriechmayr flitzt zu Silber.
Foto: AP Photo/Gabriele Facciotti)

Kriechmayr haderte nur kurz mit dem knapp verpassten Gold nach einem der "härtesten Rennen in diesem Jahr". Er ärgerte sich, den Mittelteil nicht gut gefahren zu sein. "Ich war leicht enttäuscht, weil ich zwei kleine Fehler gemacht habe. Es war ein zähes Rennen, die Sicht war nicht besonders, aber heute musste man riskieren", sagte er. "Ich freue mich irrsinnig, auch wenn ich das jetzt nicht so zeigen kann, aber es ist eine große Genugtuung. Ich habe sicherlich Silber gewonnen, nicht Gold verloren." Paris gab sich eher wortkarg: "Es ist ein großartiger Tag", sagte der Triumphator. "Ich habe einige Fehler gemacht und mir gedacht, es geht noch besser. Unglaublich! Ich habe probiert, die Geschwindigkeit so gut es geht auch mitzunehmen."

Schwarzsehen

Gebannt blickten die Zuschauer immer wieder die Hänge des Åreskutan absuchend hinauf. Immer wieder nämlich fielen die zwei großen Vidiwalls im Zielbereich aus – mal abwechselnd, mal parallel. Dann sahen sie nur schwarz. Vielleicht waren die winterlichen Bedingungen daran schuld, vielleicht auch nicht. Zuschauer sind keine Hellseher. Also galt es dann, zumindest die letzten Fahrsekunden der Läufer und das Abschwingen im Zielbereich nicht zu verpassen.

Das große Zittern der vergangenen Tage hatte sich leicht entspannt. Das Rennen stieg bei angenehmeren, allerdings längst nicht frühlingshaften Bedingungen. Das Thermometer zeigte nurmehr eine Temperatur im knapp zweistelligen Minusbereich an.

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Weltmeister Dominik Paris.
Foto: AP Photo/Marco Trovati

Paris reiste im Unterschied zum ÖSV-Team nicht mit dem Privatjet, kam nach einer Odyssee mit dem Nachzug im WM-Ort an, nachdem er wegen der Wetterkapriolen mit einhergehenden Flugverzögerungen und -ausfällen stundenlang in Stockholm ausharren musste. Der 29-jährige Italiener ist ein Freund des Heavy Metals, hat vergangenen Sommer mit seiner Band Rise of Voltage das Debütalbum Time veröffentlicht und im Winter auch schon öfter den Ton angegeben. Er hat nicht nur Abfahrt und Super-G in Bormio für sich entschieden, sondern auch auf der Streif in Kitzbühel triumphiert und ebendort auch Platz drei im Super-G geholt. Beim Weltcupfinale 2018 in Åre, der Generalprobe für die WM, stand Kriechmayr noch ganz oben, und der Italiener war über Rang 19 nicht hinausgekommen.

Paris debütierte 2008 im Weltcup, hat zwölf Weltcupsiege (zehn in der Königsdisziplin und zwei im Super-G) zu Buche stehen. Eine WM-Medaille hat der 105-Kilo-Brocken aus Ulten in Südtirol schon nach Hause gebracht, nachdem er bei der WM-Abfahrt 2013 in Schladming nur von Aksel Lund Svindal geschlagen worden war.

Schwer geschlagen

Auf dem von ihrem Trainer Reto Nydegger tückisch gesetzten Kurs lief es für die in den vergangenen Jahren immer mitmischenden Norweger nicht nach Plan. Svindal belegte in seinem vorletzten Rennen Rang 16., Kjetil Jansrud und Aleksander Aamodt Kilde landeten auf den Plätzen 22 beziehungsweise 24. Bester wurde Adrian Smiseth Sejersted auf Rang acht. Relativ knapp an den Medaillen vorbei fuhren der Italiener Christof Innerhofer (0,35) als Vierter, der Franzose Adrien Theaux (0,37) als Fünfter und Kitzbühel-Sieger Josef Ferstl (0,39).

Das Rennen war eine besondere Herausforderung, weil das davor geplante Abfahrtstraining wegen der Verzögerungen bei der Anreise abgesagt wurde und damit außer der Besichtigung keine Gelegenheit war, in Renntempo abzufahren. Als Spezialist für solch heikle Angelegenheiten gilt normalerweise Doppelolympiasieger Matthias Mayer, der aber nach bester Zwischenzeit ebenso an einem Tor vorbeiraste wie Hannes Reichelt. Vom gestarteten ÖSV-Quartett kam damit nur noch Daniel Danklmaier in die Wertung. Der 25-Jährige musste sich am Ende ex aequo mit dem für Schweden startenden Osttiroler Alexander Köll (1,08) mit Platz 20 begnügen.

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Matthias Mayer verpasste ein Tor und war sichtlich enttäuscht.
Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Clarey avancierte mit 38 Jahren zum ältesten Medaillengewinner in der WM-Geschichte. Bisheriger Rekordhalter war Patrick Järbyn, der 2007 in Åre im Teambewerb mit Schweden Silber gewonnen hatte. "Das ist eine wirklich große Überraschung für mich", sagte der Franzose über Silber. (Thomas Hirner, 6.2.2019)

Endstand des Super-G der Herren bei der Ski-WM in Aare am Mittwoch:

1. Dominik Paris (ITA) 1:24,20
2. Vincent Kriechmayr (AUT) 1:24,29/Johan Clarey (FRA) 1:24,29 +0,09
4. Christof Innerhofer (ITA) 1:24,55 +0,35
5. Adrien Theaux (FRA) 1:24,57 +0,37
6. Josef Ferstl (GER) 1:24,59 +0,39
7. Brice Roger (FRA) 1:24,61 +0,41
8. Adrian Smiseth Sejersted (NOR) 1:24,70/Steven Nyman (USA) 1:24,70 +0,50/Mattia Casse (ITA) 1:24,70 +0,50
11. Ryan Cochran-Siegle (USA) 1:24,73 +0,53
12. Marco Odermatt (SUI) 1:24,78 +0,58
13. Martin Cater (SLO) 1:24,79 +0,59
14. Nils Allegre (FRA) 1:24,84 +0,64
15. Dominik Schwaiger (GER) 1:24,87 +0,67
16. Aksel Lund Svindal (NOR) 1:25,12 +0,92
17. Benjamin Thomsen (CAN) 1:25,13 +0,93
18. Beat Feuz (SUI) 1:25,20 +1,00
19. Felix Monsen (SWE) 1:25,25 +1,05
20. Daniel Danklmaier (AUT) 1:25,28/Alexander Köll (SWE) 1:25,28 +1,08
22. Kjetil Jansrud (NOR) 1:25,38 +1,18
23. Bryce Bennett (USA) 1:25,82 +1,62
24. Aleksander Aamodt Kilde (NOR) 1:25,83 +1,63
25. Mattias Rönngren (SWE) 1:25,98 +1,78
26. Christoffer Faarup (DEN) 1:26,01 +1,81
27. Brodie Seger (CAN) 1:26,05 +1,85
28. Henrik von Appen (CHI) 1:26,16 +1,96
29. Filip Zubcic (CRO) 1:26,28 +2,08
30. Natko Zrncic-Dim (CRO) 1:26,37 +2,17

Ausgeschieden u.a. Hannes Reichelt (AUT), Matthias Mayer (AUT), Manuel Schmid (GER), Miha Hrobat (SLO), Ondrej Berndt (CZE), Klemen Kosi (SLO), Mauro Caviezel (SUI), Travis Ganong (USA), Dustin Cook (CAN), Thomas Tumler (SUI), Bostjan Kline (SLO)