In ganz Deutschland – hier in Gießen – protestierten Ende Jänner Frauen gegen den Paragrafen 219a.

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Katarina Barley (SPD), die deutsche Justizministerin, muss am Mittwoch Worte von sich geben, die ihr nicht ganz leicht fallen. "Wir haben einen guten Kompromiss gefunden", sagt sie über die Neuregelung des sogenannten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche.

Das Kabinett hat den Gesetzesentwurf gebilligt, da ist es üblich, dass sich jene Minister, die das Papier vorgelegt haben oder an der Erstellung beteiligt waren, mit (Selbst-)Lob zu Wort melden. Doch Barley weiß: Sie hat im Streit um Informationen über Abtreibungen nicht das herausholen können, was ihre Partei wollte.

Es geht bei diesem Zwist um den umstrittenen Paragrafen 219a des deutschen Strafgesetzbuches. Dieser besagt, dass sich Ärztinnen und Ärzte, die "öffentlich" darauf hinweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, strafbar machen. Ihnen droht eine Geld- oder Haftstrafe.

Mehr Möglichkeiten in Österreich

In Österreich ist das anders. Dort dürfen Ärztinnen und Ärzte sachlich über die eigene medizinische Tätigkeit informieren, Schwangerschaftsabbrüche sind davon nicht ausgenommen.

So hätten es die deutschen Sozialdemokraten, die Grünen, die Linkspartei, die FDP und die hessische Ärztin Kristina Hänel auch gerne. Die Allgemeinmedizinerin war 2018 vom Landgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden, weil sie auf ihrer Website über Abtreibungen informiert hatte. Daraufhin war die Diskussion über den umstrittenen Paragrafen 219a losgebrochen.

Sofort abschaffen, forderten die Sozialdemokraten, man müsse Frauen, die abtreiben wollen, jegliche Hilfe und Information anbieten. Doch die Union hielt mit Verweis auf den Schutz des ungeborenen Lebens dagegen.

"Werbung" bleibt verboten

Mehr als ein Jahr lang dauerten die Verhandlungen über den Kompromiss, der nun vom Kabinett abgesegnet wurde. Grundsätzlich bleibt die "Werbung" – wie es etwas irreführend heißt – über Abbrüche verboten.

Doch Ärzte, die auf die Möglichkeit hinweisen wollen, bekommen mehr Optionen. Sie dürfen informieren, dass sie den Eingriff vornehmen. Für weitergehende Informationen müssen sie jedoch auf Behörden, Beratungsstellen und Ärztekammern verweisen. Außerdem soll die Bundesärztekammer eine Liste von Ärzten und Spitälern veröffentlichen, die Abbrüche durchführen.

Kein Wort zu den Methoden

Es ist künftig also nicht mehr strafbar, wenn Ärzte erklären: "Frauen haben bei mir die Möglichkeit, eine Abtreibung vornehmen zu lassen." Nicht preisgeben dürfen sie jedoch, welche Methode sie anwenden. Das wäre "Werbung", die strafbar bleibt.

Der Kompromiss muss noch durch den Bundestag, und dort sitzen viele frustrierte Sozialdemokratinnen. Die Abgeordnete Hilde Mattheis kündigte an, dagegen zu stimmen: "Ich habe mich in dieser Frage immer klar positioniert: Politik sollte sich an der Mehrheit ausrichten. Und die Mehrheit sind nun mal Frauen." Sie fordert eine namentliche Abstimmung im Bundestag.

"Gängelung von Frauen"

Maria Noichl, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, rechnet mit noch mehr Gegenstimmen. Denn die Reform bedeute nach wie vor "eine Gängelung von Frauen, Ärztinnen und Ärzten".

Ärztin Kristina Hänel kritisiert die Einigung ebenfalls. Zwar sieht sie die Lockerung des Werbeverbots als kleinen Fortschritt. Doch sie sagt auch: "Frauen haben ein Recht auf Information, und das ist weiterhin verboten. Das ist eine staatliche Zensur." (Birgit Baumann aus Berlin, 6.2.2019)