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Die australischen Forscher untersuchten chinesische Studien zur Transplantation von Herzen, Lebern und Lungen, die zwischen Jänner 2000 und April 2017 in englischsprachigen Fachjournalen veröffentlicht wurden.

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Nieren werden übrigens insgesamt am häufigsten transplantiert – auch in Österreich.

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In Fragen der ethischen Verantwortung medizinischer Forschung gerät China immer wieder in die Kritik. Insbesondere Berichte über mutmaßliche Organentnahmen an hingerichteten Häftlingen zu Transplantations- und Forschungszwecken sorgen seit Jahren für Diskussionen.

2016 kam etwa ein investigativer NGO-Report zum Schluss, dass alle in chinesischen Krankenhäusern verzeichneten Transplantationen die Angaben der Regierung jährlich um das Sechs- bis Zehnfache übersteigen. Die Autoren vermuteten, dass sich die Diskrepanz durch die nicht offiziell verlautbarte Verwendung der Organe von Häftlingen ergeben dürfte. Ebenfalls 2016 forderte das Europäische Parlament die chinesische Regierung in einer Erklärung dazu auf, von dieser Praxis abzusehen.

Namhafte Publikationen

Jetzt hat ein australisches Forscherteam erstmals umfassender untersucht, welche wissenschaftlichen Studien zu Organtransplantationen in China in den vergangenen Jahren in internationalen Fachzeitschriften publiziert wurden und wie es darin um die Spendertransparenz bestellt ist. Das Ergebnis ist bemerkenswert: Zwischen 2000 und 2017 erschienen demnach mehr als 400 chinesische Studien zu Transplantationen in der englischsprachigen Fachpresse, in denen weder Angaben zur Herkunft der Organe noch solche über die Zustimmung der Organspender gemacht wurden. Die Autoren um Wendy Rogers von der Macquarie University in Sydney orten klare Verstöße gegen ethische Standards.

Wie Rogers und Kollegen in "BMJ Open" berichten, sind davon auch namhafte Publikationen betroffen – etwa das "American Journal of Transplantation" oder das offizielle Medium der Transplantation Society mit dem Titel "Transplantation". Besonders pikant: Beide Magazine könnten damit gegen selbstauferlegte Richtlinien verstoßen, in denen sie die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen strikt ablehnen, wenn diese unter ethisch fragwürdigen Bedingungen zustande gekommen sind. Studien nach Organentnahmen an hingerichteten Häftlingen fallen explizit darunter.

Fragen der Komplizenschaft

Konkret untersuchte das australische Team chinesische Studien zur Transplantation von Herzen, Lebern und Lungen, die im Laufe von 18 Jahren in englischsprachigen Fachmagazinen veröffentlicht wurden. In den 445 identifizierten Arbeiten wurden insgesamt 85.477 Transplantationen thematisiert – wobei die Autoren einräumen, dass die tatsächliche Zahl niedriger sein könnte, da sich darunter auch Mehrfachpublikationen zu einzelnen Transplantationen befinden könnten. Doch davon abgesehen: Aus 412 dieser Veröffentlichungen geht demnach nicht hervor, ob die Organe von Häftlingen stammen oder nicht, 439 Studien machen keine Angaben zu einer Einwilligung der Organspender.

Rogers und Kollegen sehen darin ein glattes Versäumnis der wissenschaftlichen Gemeinschaft bei der Umsetzung ethischer Standards: "Infolgedessen gibt es inzwischen eine große Zahl unethischer wissenschaftlicher Veröffentlichungen, von denen die Transplantationsforschung profitiert – das wirft Fragen der Komplizenschaft auf", schreiben die Wissenschafter.

Zurückgezogene Studien

Sie empfehlen die Rücknahme und detaillierte Prüfung aller betreffenden Veröffentlichungen. Es wäre nicht das erste Mal: Schon 2017 zog das renommierte Fachmagazin "Liver International" ein chinesisches Paper zurück, in dem mehr als 500 Lebertransplantationen untersucht worden waren – nachdem Rogers den Verdacht unethischer Organentnahmen geäußert hatte.

Ob und wann sich an dieser Praxis in China etwas ändert, ist fraglich. Die chinesische Regierung hatte bereits 2015 angekündigt, die Verwendung von Organen hingerichteter Häftlinge zu stoppen. Seither wurden jedoch keine Gesetze beschlossen, die dies verbieten würden. (David Rennert, 7.2.2019)