Unmittelbar vor Theresa Mays Reise nach Brüssel herrschte auch am Mittwoch im Vereinigten Königreich wenig Hoffnung auf Fortschritte in der verfahrenen Brexit-Diskussion. Die Regierungschefin setzte ihre Konsultationen in Nordirland fort.

Unbeantwortet bleibt sowohl in London als auch in Dublin und Brüssel die Frage der sogenannten Auffanglösung für Nordirland (Backstop). Dabei geht es ganz zentral um den Frieden in der einstigen Bürgerkriegsregion, für den die Offenhaltung der inneririschen Grenze notwendig ist.

Der im vergangenen November zwischen EU und Großbritannien ausgehandelte Austrittsvertrag sah eine solche Auffanglösung vor für den Fall, dass sich das Königreich und die EU bis zum Ende der geplanten Übergangsfrist – wohl Ende 2022 – noch auf keinen Freihandelsvertrag geeinigt haben sollten. In diesem Fall wäre das gesamte Land in der EU-Zollunion verblieben – und Nordirland hätte zusätzlich privilegierten Zugang zum Binnenmarkt erhalten.

Das Unterhaus in London lehnte den Vertrag im Jänner jedoch vehement ab. Vergangene Woche stimmte es einem Plan der regierenden Konservativen von Premierministerin May mehrheitlich zu, in dem nebulös von "alternativen Methoden" zur Grenzsicherung die Rede ist. Dahinter verbergen sich offenbar Technikideen, die weltweit nirgends realisiert werden konnten.

"Bedeutsame Änderungen"

Zudem bleibt unklar, ob die Brexit-Ultras in der konservativen Partei wirklich dem Austrittsvertrag zustimmen würden, wenn die Nordirland betreffenden Passagen lediglich anders formuliert wären. May hatte "bedeutsame und bindende Änderungen" am EU-Austrittsvertrag versprochen und dabei den Eindruck erweckt, sie wolle die Auffanglösung zur Gänze aus dem Vertragswerk tilgen.

In einer Rede in Belfast am Dienstag schien die Premierministerin von diesem Versprechen abzurücken: Als Ziel ihrer Verhandlungen in Brüssel nannte sie lediglich die "Änderung" – und nicht die komplette "Entfernung" – der Auffanglösung. Ausdrücklich bekannte sich die Chefin der britischen Minderheitsregierung zu ihrer immer wieder geäußerten Garantie, die Grenze offen zu halten: "Mein Versprechen ist unumstößlich."

In ihrer Replik auf eine Äußerung von EU-Ratspräsident Tusk – wonach auf jene, die den Brexit rücksichtlos vorangetrieben hätten, ein besonderer Platz in der Hölle warte (siehe oben) – ätzte Brexit-Befürworterin Andrea Leadsom, Tusk sei "ein Präsident, den niemand in diesem Land gewählt hat". In Wahrheit war der frühere polnische Ministerpräsident 2014 einstimmig – also auch mit der Stimme des damaligen britischen Premiers David Cameron – in sein Amt als Koordinator der EU-Mitgliedstaaten gelangt. (Sebastian Borger aus London, 6.2.2019)