Das kommt in den besten Familien vor, wie dann auch nicht unter der besten aller Regierungen – die Krätze nimmt wieder einmal zu. Als wollte die Seuche über das Medizinische hinaus die Botschaft vermitteln, dass der nationale Juckreiz, gegen den an vielen Stellen anzukratzen ein zunehmend stärkeres Bedürfnis wird, weniger einem Mangel an bürgerlicher Hygiene, sondern dem Walten höherer Mächte entspringt. Wer denkt da nicht gleich an den Innenminister, der die Feststellung, Migranten seien von der Krätze nicht häufiger betroffen als Inländer, als dermatologischen Anschlag auf seine Abschiebungsbemühungen, also schwer juckreizerzeugend empfinden muss.

Wirtschaftskämmerer können sich in diesen Tagen gar nicht genug kratzen, seit die Sozialministerin, infiziert vom Vizekanzler, freihändig den Rechtsanspruch auf einen Papamonat und einen freien Karfreitag für alle obendrauf in Aussicht gestellt hat. In medizinischen Kreisen heißt es zwar, die Ursache für das Auftreten solcher Ausschläge sei unklar, in politischen Kreisen tut man sich damit leichter: besser wenigstens Juckreiz erzeugen als nur die Sozialversicherung ins Koma reformieren. Jetzt ist einmal kollektives Kratzen auf Regierungsebene angesagt, letztlich wird es wohl auf eine Art Quarantäne für den blauen Ansteckungsherd in der Regierung hinauslaufen.

Lindernd sollte da die Ankündigung einer Gesundheitskoordinatorin wirken, die sich erst unlängst mit einer Huldigungsadresse an den Bundeskanzler für Koordinierungsaufgaben aller Art qualifiziert hat und damit im ORF für einigen Juckreiz sorgt. Man wird sich dort deswegen aber nicht blutig kratzen, beruft sich die rasch zum Testimonial herabgestufte Koordinatorin doch auf einen Regierungsauftrag, der völlig unpolitisch sei. Deshalb auch klar, dass Vera Russwurms ORF-Show und ihre unpolitische Regierungsshow nur ein Musterbeispiel für Vereinbarkeit sein kann.

Volksgesundheit

Sie will laut Eigenaussage "mehr Gesundheit in die Bevölkerung bringen", und das im Auftrag einer Regierung, die mit ihrer Krankenkassenreform vor allem eigenen Leuten Posten verschaffen, der Volksgesundheit aber einen schlechten Dienst erweisen wird. Was sie damit abgibt, ist das mit hohem Bekanntheitsgrad ausgestattete Feigenblatt für eine rein parteipolitisch motivierte Gesundheitspolitik. Morgengymnastik mit Vera zum Frühstücksfernsehen für Wiener, die spät aufstehen, sollte dem Bundeskanzler gefallen. Bei vielen könnte es aber nur Juckreiz auslösen.

Auch Nachbarn tragen mit ihren Wünschen nach einer Pkw-Maut zum heimischen Juckreiz bei. Noch steht nicht endgültig fest, ob "die Maut-Maulerei der Österreicher" ein Ende haben muss, wie ein CSU-Politiker sich das wünscht. Setzt er sich beim Europäischen Gerichtshof mit diesem Wunsch durch, darf man auf die juckreizende Antwort des österreichischen Verkehrsministers gespannt sein. Vor allem mit der populistischen Anhebung von Tempolimits beschäftigt, ist ihm als erste Reaktion auf die deutsche Maut eingefallen, damit könnte auch Österreichs Indexierung der Familienbeihilfe gerechtfertigt sein. Schäbigkeit kennt keine Grenzen. (Günter Traxler, 7.2.2019)