Die Steiermark steht im Bann neuer Masernerkrankungen, Ärzte machen in Pressekonferenzen im weißen Kittel besorgte Minen, die Krankenhäuser hängen Zettel an die Türen, damit allfällig Erkrankte nicht arglos in die Warteräume stapfen und Kleinkinder und andere ungeschützte Personen anstecken. Die Politik beschwört – um besorgte Eltern mit dem uncharmanten Wort Impfpflicht nicht zu erschrecken – als Alternative "mehr Aufklärung".  

Obskure Workshops im Eltern-Kind-Zentrum Graz 

"Aufklärung" betrieb in Graz bis vor kurzem der Arzt Klaus Bielau. Im Eltern-Kind-Zentrum Graz (Ekiz) hielt er mehrmals Workshops mit dem Titel "Gut geimpft?". Der Titel der Veranstaltungen ist unverdächtig und dennoch irreführend. Bielau macht kein Hehl daraus, die Sache mit den Viren ein wenig entspannter zu sehen als die Kollegen seiner Zunft in den Krankenhäusern der Stadt. Der recht mediengewandte Allgemeinmediziner und Buchautor teilte der Öffentlichkeit schon mal in einem Youtube-Monolog mit, dass noch nie jemand durch Bakterien oder Viren krank geworden ist. 

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In einem fast prosaisch anmutenden Essay auf seiner Webseite zum Thema Impfen, "The Vaccacination Nonsense", führt Bielau das Gedankenspiel schneidig fort: "Wir erkranken nicht durch Bakterien und Viren; diese sind Helfer oder bei den Viren vermutlich zerbrochene Zellkerne, also Stoffwechselprodukte, die ausgeschieden oder wieder eingebaut werden im Körper."

Weiter unten liest Bielau der WHO und anderen Ahnungslosen und deren unromantischen Statistiken die Leviten: "Es kann jedoch kein einziger Mensch gefunden werden auf unserem weiten Erdkreis, der behaupten könne, er sei durch eine Impfung nicht krank geworden." Krankheiten wie Masern will er generell ein wenig den Schrecken nehmen. In einem Facebook-Posting vom 4. Dezember des Vorjahres orakelt Bielau: "Komplikationen gibt es nur, und wirklich nur, wenn die akuten Symptome, Fieber, usw. unterdrückt werden durch Unverständnis, also Angst und meist chemische Blockierung. Lassen wir, egal in welchem Alter, die Symptome sich entwickeln, begleiten wir die Kranken mit Aufmerksamkeit und Homöopathie (falls nötig), sind Komplikationen nie zu erwarten."

Forderung nach einem Mindestmaß an Wissenschaftlichkeit

Christiane Körner ist ob solcher Aussagen fassungslos. Die Pharmazeutin ist Präsidentin des Vereins zur Förderung der Impfaufklärung und sagt: "Das sind Ansichten wie aus einer Zeit, zu der man die Erde noch als Scheibe gesehen hat." So etwas von einer akademisch ausgebildeten Person hören zu müssen, tue weh. Körner: "Nennen wir die Dinge beim Namen: Es ist ein Verbrechen gegenüber der eigenen Gesundheit und gegenüber der Gesundheit von ungeschützten Menschen, so gegen Impfungen zu agieren und letztlich den Herdenschutz zu unterminieren. Diese Verantwortungslosigkeit müssen Unschuldige, wie zum Beispiel Kleinkinder, ausbaden." Ihr Appell an die Politik: "Zumindest in Einrichtungen, die von öffentlicher Hand gefördert werden, muss bei Infoveranstaltungen zum Thema Impfen Wissenschaftlichkeit eingefordert werden."

Mittlerweile storniert: die beiden Workshops "Gut geimpft?" von Klaus Bielau.
Screenshot: Webseite Ekiz Graz

Impfgegner ausgeladen – Homöopath kommt

Bielau hat den Bogen offenbar etwas überspannt. Eine Sprecherin der Stadt Graz – neben dem Land Steiermark und dem Bund ein Förderer des Ekiz Graz – teilt mit, dass die beiden für heuer angekündigten Impfaufklärungen Bielaus im Ekiz nach Rücksprache mit dessen Leitung und vor dem Hintergrund der aktuellen Masernfälle gestrichen werden. Die Leitung des Ekiz scheint inhaltlich von der Entscheidung nicht sehr erquickt zu sein und teilt in etwas pampigem Tonfall mit: "Natürlich haben wir sofort reagiert und werden die Vorträge mit Dr. Bielau absagen, um uns nicht mitschuldig zu machen an der Verbreitung unerwünschter, kontroversieller Standpunkte."

Aber vielleicht findet sich ein Schlupfloch, um Herrn Bielau mit seinen erfrischenden kontroversiellen Ansichten doch nicht ganz zum Schweigen zu zwingen? Die beiden "Gut geimpft?" Workshops von Bielau sind zwar von der Webseite des Ekiz gelöscht worden. Auf seiner Facebook-Seite kündigt Bielau nun für den 26. Februar einen anderen Vortrag im Ekiz Graz an: "Homöopathie für Alltag und Familie". Das Ekiz weiß davon nichts. Es bleibt spannend.

Seriöse Impfaufklärung durch Pseudomediziner?

In Österreich gibt es gut 100 Eltern-Kind-Zentren. Sie bieten Hilfe und Rat und Anleitung, von der Babymassage über das Wickeln bis zum Spinat kochen, beim Zahnen der Kleinen und jede Menge Vorträge zu Gesundheitsthemen. Wenn das Thema Impfen thematisiert wird, ist Aufklärung oftmals in der Hand jener, die sich mit dem irreführenden Titel "Alternativmedizin" schmücken – oder gar keine Ärzte sind. Eine kleine Rundschau zu Veranstaltungen: Im Ekiz Linz referiert im April die Homöopathin Martina Pickl-Zogholy, im Ekiz Wels verspricht der pensionierte  Arzt Christian Pröll "alle Argumente für und gegen Impfung zur Sprache" kommen lassen. Pröll ist in der "Ärztegesellschaft für Klassische Homöopathie" tätig und führte einst ein Praxis mit den Schwerpunkten Homöopathie und anthroposophische Medizin. In Gmunden referierte im Oktober des Vorjahres der homöopathische Allgemeinmediziner Nikolaus Kiendl. Die Auflistung ist unvollständig, eine Schlagseite ist erkennbar. 

Auch "Aufklärer" ohne medizinische Ausbildung und mit umso mehr missionarischem Auftrag dürfen dann und wann zu Wort kommen. Das Ekiz im Tiroler Kramsach lud vor einigen Jahren den Schweizer Heilpraktiker Daniel Trappitsch zur Aufklärung. Trappitsch ist der führende Kopf des radikalen Impfgegnervereins "Netzwerk Impfentscheid (N.I.E)". Trappitsch leugnet die Existenz von Infektionskrankheiten und führt keine feine Klinge. Im Jahr 2014 hat er sich mit Gleichgesinnten in einem Filmchen über die Opfer der Seuche Ebola in Westafrika lustig gemacht.

Impfgegner fahren schwere Geschütze bei der Impfaufklärung auf.
Foto: REUTERS/Eric Gaillard

Eine Kinesiologin empfiehlt "Impfausleitungen"

In Niederösterreich ist die Aufklärung fest in der Hand der Kinesiologin Gabriele Brunner. Die Eltern-Kind-Zentren in Baden, Guntramsdorf, Traiskirchen und Mödling klappert sie in diesem Frühjahr mit dem Vortrag "Rund ums Impfen - Informationen für die individuelle Entscheidung" ab. Zu den Inhalten ihrer Vorträge nimmt sie auf Anfrage Stellung: Brunner betont, "keine Empfehlungen abzugeben (...) alternative Möglichkeiten zu präsentieren und soviel Information wie möglich zu geben, damit jeder vielleicht etwas leichter seine ganz persönliche Impfentscheidung treffen kann." Sie beteuert, sowohl den offiziellen Impfplänen und den Empfehlungen der Impfkommissionen Raum zu geben als auch den Impfkritikern. Eine ganze Literaturliste der bekannten Impfgegner listet sie in einem E-Mail auf. Brunner verspricht auch Praktisches: Die Ankündigung zu ihren Vorträgen in den Ekiz weist auch auf die Möglichkeit von "Impfausleitungen" hin. Dabei handle es sich laut Brunner um "energetische Methoden wie Bioresonanz, kinesiologische Austestung um die Zusatzstoffe wie zum Beispiel Aluminium auszuscheiden." Impfausleitung und Impfaufklärung scheinen in Österreich in besten Händen zu sein. (Christian Kreil, 15.2.2019)

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